Öffentliche Veranstaltung am ZiF - Vortragsreihe
Stadt von heute, Stadt der Zukunft
Termine: Wintersemester 2022/23
Ort: ZiF-Plenarsaal
Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Braungart, Andreas Wannenmacher, BDA
Veranstaltet vom Verein der Freunde und Förderer des ZiF e.V.Mit freundlicher Unterstützung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld und der Sparkasse Bielefeld
Ob man ein Museum besucht, ein Buch liest oder ein Konzert anhört, kann man sich aussuchen. Im öffentlichen Raum muss man sich zumindest zeitweise aufhalten, ob man will oder nicht. Der Architektur, die unsere Städte prägt, können wir uns nicht entziehen. Diese Architektur prägt unser Leben und Arbeiten, Begegnen und Kommunizieren. Sie gibt uns zu verstehen, was sie von uns erwartet und was sie uns ermöglichen will und was nicht. Kurz: Was wir in ihr sein können, dürfen, sollen.
Aber was signalisiert uns die Stadt von heute? Lädt sie ein, sich zu begegnen? Oder lautet ihr Appell vielleicht eher: Zieh dich in die Privatsphäre und ins Privatleben zurück, hier ist kein Platz für dich? Sagt uns die Stadt durch
ihre gesichtslose und austauschbare Architektur nicht deutlich: Du bist nicht wichtig?
Die Stadt ist öffentlicher Raum, unsere ‚res publica‘, unsere öffentliche gemeinsame Sache, die uns alle angeht und die im Interesse aller auch geregelt und gestaltet werden muss. Aber was heißt das genauer? In welcher Weise gehört der
öffentliche Raum wirklich uns, der Öffentlichkeit? Oder bestimmen nicht das, was sich uns zeigt, diejenigen, die dafür bezahlen? Aber bezahlen wir nicht auch?
Hier geht es um sehr viel mehr als um schöne Gebäude und gepflegte Plätze: Es geht um Fragen der Zugehörigkeit, der Teilhabe, des Da-Sein-Könnens und Bleiben-Wollens. Und es geht auch um die ökologische Herausforderung und den Klimawandel, die Stadtarchitektur, Stadtplanung und Stadtentwicklung zu beschäftigen haben.
In dieser fünfteiligen öffentlichen Vortragsreihe werden renommierte Referent*innen aus Architektur, Stadtplanung und Wissenschaft ihre Analysen der Stadt von heute und ihre Visionen und Pläne für die Stadt der Zukunft vorstellen. Auf einen Hauptvortrag folgt stets ein pointierender Kommentar, der eine (lebhafte) Diskussion eröffnen soll.
Termine und Vortragende
Architektur und das Besondere der Stadt: Zur sozialen und ästhetischen Konstruktion städtischer Räume
Kommentar: Prof. Dr. Wolfgang Sonne (Dortmund)
Der Vortrag kombiniert eine architektur- mit einer stadtsoziologischen Perspektive (unter anderem auch auf Bielefeld) und zeigt, wie die gebauten Räume einer Stadt in einem Wechselspiel aus architektonischer Gestaltung und alltäglicher Aneignung zu besonderen Orten werden.
Together! Co-Living und partizipative Stadt - Gemeinsam und nachhaltig Stadt entwickeln
Kommentar: Prof. Dr. Hans-Georg Lippert (Dresden)
Warum wir nicht nur neue Häuser brauchen, sondern auch neue Planungsinstrumente und -prozesse und warum es nur gemeinsam geht? Dieser Frage geht Katharina Bayer in ihrem Vortrag Together! Co-Living und partizipative Stadt nach. Mit seiner Spezialisierung auf Baugruppen und kooperative Stadtprojekte verfolgt das Büro einszueins Architektur seit nunmehr mehr als 10 Jahren einen eigenständigen konsequent partizipativen Ansatz in der Produktion und Reproduktion von Wohnraum und hybriden Stadtstrukturen. Wohnbau als stadtprägende Aufgabe ist dabei Ausgangspunkt für ihre Arbeit an der Nahtstelle zwischen Menschen und Stadt. Im ihrem Vortrag vermittelt Katherina Bayer Einblicke in für das Büro wegweisende und aktuelle Projekte und Tendenzen sowie die Prozesse, Organisation und Haltungen, die dahinterstehen.
KONTEXT – Chancen der bestehenden Stadt
Kommentar: Prof. Dr. Arnold Bartetzky (Leipzig)
Bestandserhaltung und die Umnutzung von Bestand mit seiner grauen Energie stellen die ökologischste Art des Bauens dar, dies ist mittlerweile Konsens. In der Reichhaltigkeit unserer gewachsenen Städte schlummert zudem die große Chance, Neubau kontextgebunden und zugleich unverwechselbar spezifisch zu formulieren. Der Kontext des Bestehenden dient dabei als Ausgangspunkt eines evolutionären Weiterbauens. Der Kontext dient der Verdichtung der Vielfalt unserer heterogenen Städte: Sie werden reichhaltiger und heterogener statt austauschbarer und uniformer.
Stadt, Land, Geldfluss – Über Städte von heute und Städte aus der Zukunft
Kommentar: Prof. Dr. Jörg H. Gleiter (Berlin)
Die Beziehungen von Ökonomie, Architektur und Urbanismus finden ihren relativen Nullpunkt im Oikos-Begriff. Unter dem "oikos" verstand man zunächst das stammesgriechische und feudalmykenische Haus im Sinne einer Wirtschaftsgemeinde, die den Lebensmittelpunkt einer Großfamilie bildete. Später, ab der Frühen Neuzeit, wurde aus der Hauswirtschaft zunächst eine Stadt- und schließlich eine Staats- bzw. Volkswirtschaft. Dass ökonomische Kontexte Designartefakte bedingen, hat vielleicht am sinnfälligsten der Neomarxismus David Harveys insinuiert. In "The Condition of Postmodernity" etwa stellt Harvey die Postmoderne als die kulturelle Logik des postfordistischen Spätkapitalismus bzw. Neoliberalismus vor. Architektur- und Designformen, so lässt sich im Anschluss an Harvey konstatieren, rekurrieren immer auf ökonomische Kontexte. Stephan Trüby zeigt in seinem Vortrag an ausgewählten internationalen Beispielen, welche räumlichen Auswirkungen historische und zeitgenössische Umgangsweisen mit Geld, Kredit und Investment zeitig(t)en – und inwieweit eine neue (Urbane) Ethik notwendig ist.
Was muss die Stadt der Zukunft können und wozu brauchen wir Urbanität?
Kommentar: Andreas Wannenmacher, BDA, Architekten Wannenmacher und Möller (Bielefeld)
Städte und öffentliche Orte leben von ihrer Diversität. Sie sind attraktiv, wenn sie ihrer Bewohnerschaft eine möglichst vielfältige Mischung unterschiedlicher Lebensstile, generell Entfaltungsmöglichkeiten, anbieten können. Nun ist jegliche Diversität von heute durch die Migration von gestern entstanden, d.h. sie basiert auf einer irgendwie gelungenen Integration oder Aneignung von vormals „Fremden“. Die Städte der Zukunft werden vor allem eins können müssen: Migration und Mobilität erfolgreich steuern. Anders als Unternehmen, die Fachkräfte einstellen, können die Städte sich ihre Einwohner:innen nicht aktiv aussuchen. Sie müssen sich um alle kümmern. Der Vortrag beschäftigt sich mit den zwei großen weißen Elefanten in der Debatte: a) Wir befinden uns inmitten einer Mobilitätstransformation, in der wir alle mehr als jemals unterwegs sind: sei es privilegiert als ressourcenstarke Tourist:in, als Student:in oder als Arbeitssuchende:r. Im Kern geht es daher um die Frage, wer, wann, wie mobil sein darf und sich wo aufhalten darf. Unmittelbar verknüpft mit der Migrationsdebatte sind die Überlegungen zur kosmopolitischen Stadt als dem pars pro toto einer offenen Gesellschaft. b) Migration bringt zunächst zwangsläufig Routinen durcheinander, fordert Ressourcen ein, ruft Regulierungen und Sanktionen auf den Plan, löst Proteste aus. Ausgehandelt wird die „neue“ Vielfalt bevorzugt an Orten, die bereits unsicher und prekär sind – in der Regel in den migrationsgeprägten Quartieren der Städte. Hier werden dann auch die meisten Konflikte sichtbar und oft genug durch Sicherheitsmaßnahmen angegangen, z.B. durch die Installation von Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen oder einem Mehr an Polizei. Gleichzeitig sind dies die Gebiete, in denen sozialräumlich integrativ angelegte Programme umgesetzt werden und die Bewohnerschaft häufig wichtige Integrationsleistungen für die (Stadt-)Gesellschaft erbringt. Der Vortrag konzentriert sich auf diesen Übergang der Städte von Verwaltern zu Gestalter:innen der Migration.
Bitte melden Sie sich für die Vorträge über diese E-Mail-Adresse an:
zif-architektur@uni-bielefeld.de.
Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes wird empfohlen.