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  • Forschung

    © Markus Richter / Fakultät für Soziologie

Die Bedeutung des Ehrenamts für die Integration von Geflüchteten in Deutschland

Von der Kleiderkammer zur Patenschaft

Die Studie 'Die Bedeutung des Ehrenamts für die Integration von Geflüchteten in Deutschland: von der Kleiderkammer zur Patenschaft' wurde von Februar 2016 bis Februar 2018 in Bielefeld durchgeführt und fakultätsintern in zwei unterschiedlichen Förderungsphasen finanziell unterstützt.

Ziel der Studie war es, Strukturen und Charakteristiken der ehrenamtlichen Arbeit im Bereich der Geflüchtetenhilfe, ihre Auswirkungen auf die Flüchtlingspolitik und die Eingliederung von Geflüchteten in die Gesellschaft zu untersuchen. Dazu wurde eine fokussierte ethnographische Forschung in Bielefeld durchgeführt, die hauptsächlich auf Beobachtungen, Dokumentenanalysen und Interviewdaten aufbaut.

Vor dem Hintergrund der seit 2015 angestiegenen Zahl geflüchteter Menschen in Deutschland engagieren sich viele Menschen in der deutschen Zivilbevölkerung verstärkt in der ehrenamtlichen Geflüchtetenhilfe. Sowohl Kirchen und Vereine als auch kommunale Einrichtungen mobilisieren ehrenamtliche Helfer*innen, um die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten besser zu bewerkstelligen. Dabei können Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs) und ehrenamtliches Engagement nicht nur eine entscheidende Rolle als Dienstleister in der kommunalen Flüchtlingsarbeit spielen, sondern auch aktiv in Prozessen der kommunalen Migrationspolitik involviert sein.

Ein Schwerpunkt der Studie wurde auf die Untersuchung von Strategien gelegt, die ehrenamtliche Helfer*innen und Nicht-Regierungsorganisationen anwenden, um mit dem möglichen Widerspruch zwischen humanitären Dienstleistungen und politischer Einflussnahme umzugehen. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die vielerorts immer relevanteren Projekte der Geflüchteten-Patenschaften, die NROs, informelle Hilfsstrukturen und kirchliche Träger mit Geflüchteten seit 2016 ins Leben riefen.

Im Rahmen dieser Studie wurden insbesondere folgende Forschungsfragen untersucht:

  • Welche Gruppen der Bevölkerung engagieren sich für Flüchtlinge? In welchen Bereichen werden ehrenamtliche Helfer*innen eingesetzt? Was sind ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisationen?
  • Wie beurteilen Institutionen und NGOs die Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit in Hinblick auf ihren Einfluss in der Migrationspolitik auf kommunaler und/oder nationaler Ebene?
  • Was sind die Motivationen der Pat*innen und der Geflüchteten, an diesen informellen Unterstützungsprojekten teilzunehmen und was versprechen sie sich davon persönlich?
  • Wie beurteilen die teilnehmenden Parteien der Patenschaften die gemeinsamen Aktivitäten in Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle dieser Arbeit in der Flüchtlings-und Migrationspolitik?

Ziel des ersten Teils der Studie war es insbesondere, die Strukturen der ehrenamtlichen Geflüchtetenhilfe in Bielefeld zu beschreiben. Dazu wurden eine umfassende Literaturrecherche, acht Interviews mit Koordinator*innen unterschiedlicher Einrichtungen der Geflüchtetenhilfe in Bielefeld, 10 Interviews mit ehrenamtlichen Helfer*innen und ein Mapping der Institutionen der Geflüchteten-und Migrationsarbeit in Bielefeld durchgeführt.

Der zweite Teil der Studie befasste sich vor allem mit der Untersuchung bestehender Patenschaftsprojekte. Insgesamt wurden die Teilnehmer*innen von sechs Patenschaften, jeweils sechs geflüchtete Personen und sechs Patinnen, interviewt. Durch die Interviewdaten konnten die genauen Charakteristiken der Patenschaften, sowie die Erwartungen, die von Patinnen und Geflüchteten an die Patenschaften gerichtet wurden, erfragt werden. Des Weiteren wurden die Motivationen der Ehrenamtlichen und der Geflüchteten beleuchtet, die sich für eine Patenschaft entschieden hatten.

Die Studie zeigt, dass die Mehrzahl der ehrenamtlichen Helfer*innen Frauen sind. Das zivilgesellschaftliche Engagement spielt eine wichtige Rolle für die erfolgreiche kommunale Geflüchtetenarbeit in Bielefeld. Ehrenamtliche Helfer*innen sind nicht nur unverzichtbar für die reibungslose Arbeit der humanitären Hilfe und der Erfüllung der Grundbedürfnisse der Geflüchteten (Wohnraum, Kleidung, Gesundheitliche Versorgung etc.), sondern auch ein zentraler Bestandteil der längerfristigen Integrationsarbeit zur sozialen Teilhabe. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich nicht-staatliche und kirchliche Organisationen vermehrt von kurzfristigen humanitären Hilfestellungen hin zu längerfristigen Patenschaften mit Geflüchteten zu bewegen versuchen und mit ihren Aktivitäten auch Einfluß auf kommunale Migrationspolitik haben. Ehrenamtliche für längerfristige Aufgaben zu motivieren und bspw. für Patenschaften zu gewinnen, erweist sich dabei als Herausforderung. Des Weiteren stellt sich heraus, dass Patenschaften das Potenzial besitzen sowohl ehrenamtliche Helfer*innen als auch Geflüchtete für die Auswirkungen der Flüchtlingspolitik bzgl. der Rechte Asylsuchender zu sensibilisieren und alternative Handlungspraktiken entstehen zu lassen. Sie können allerdings gleichzeitig auch asymmetrische Machtverhältnisse zwischen ehrenamtlichen Helfer*innen und Geflüchteten verstärken.

Die Ergebnisse des Projektes wurden sowohl 2017 auf der Jahreskonferenz der Europäischen Gesellschaft für Soziologie (ESA) in Athen vorgestellt, als auch während des Weltkongresses für Soziologie (ISA) im Juli 2018 in Toronto bei einer Informationsveranstaltung über Perspektiven der deutschen Migrations-und Geflüchtetenforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Projektlaufzeit: Februar 2016 - Februar 2018

Koordination: Dr. Inka Stock

Team: Anna-Lena Friebe, Beatrix Kroschewski

Publikationen:

  • Stock, Inka, 2019: Buddy Schemes between Refugees and Volunteers in Germany: Transformative Potential in an Unequal Relationship? In: Social Inclusion, 7(2).
  • Stock, Inka: Daring to care? How volunteers and civil society organisations are shaping asylum seekers' access to citizenship through social support in one German city. Bielefeld: Working Paper 156/2017, COMCAD ? Centre on Migration, Citizenship and Development. Bielefeld. Download

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