Arbeitsbereich 5: Sozialstruktur und soziale Ungleichheit
Forschung und Lehre in der AG Abendroth findet im Rahmen der übergeordneten Ziele des Arbeitsbereichs 5 Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit statt. Die AG setzt dabei folgende Forschungsschwerpunkte:
1. Sozialstruktur
Unsere Perspektive auf Sozialstruktur ist insbesondere
geprägt durch den Blick auf Persistenz und Wandel von ….
A) Sozialen Ungleichheiten (insbesondere nach Geschlecht, Elternschaft, Alter, Bildung, Berufsstatus) in…
B) Sozialem Zusammenhalt in Arbeitsteams und Familien, insbesondere soziale Unterstützung und Konflikte
2. Die Bedeutung gesellschaftlicher und betrieblicher Einbettungen
Internationale Vergleichsperspektiven sowie organisationale Ungleichheitsperspektiven, die nach der Rolle von Betrieben bei der Generierung und Reproduktion sozialer Ungleichheiten fragen, prägen die Forschung in der AG.
3. Transformationsprozesse
In der AG greifen wir aktuelle gesellschaftliche Veränderungsprozesse auf und fragen nach ihrer Bedeutung für Persistenz und Wandel sozialer Ungleichheiten und sozialem Zusammenhalt. Derzeitige Schwerpunkte sind:
4. Daten und Methoden
Methodisch zeichnet sich die Forschung in der AG durch die Erhebung und Analyse von linked-employer-employee Paneldaten und international vergleichenden Daten sowie die Anwendung verschiedener Arten von Mehrebenenanalysen aus. Die Entwicklung neuer Erhebungsmodule zur Beschreibung und Analyse der Sozialstruktur und ihren Wandels hat die AG in verschiedenen repräsentativen Erhebungen umgesetzt, wie das Modul zu „Digital Work“ in der LEEP-B3 Erhebung, zu „Digital Social Contact in Work and Family Life“ im European Social Survey, und zu „digitalem Präsenzverhalten“ im Innovationssample des SOEP.
Inhaltliche und methodische Schwerpunkte
Die AG Abendroth bietet gemeinsam mit der AG Sauer Lehrveranstaltungen im Rahmen des Bachelor-, Master- und Promotionsstudiums an. Dazu gehören im Bachelorstudiengang Soziologie das Modul Sozialstrukturanalyse (30-M3) und im Bachelorstudiengang Sozialwissenschaften das Modul Sozialstruktur (30-M19_a), jeweils inklusive der Vorlesung „Sozialstrukturanalyse“ und dem dazugehörigen Tutorium sowie ggfls. des Seminars „Sozialstrukturelle Bedingungen und Folgen individuellen Handelns“ (nur im Fach Soziologie).
Im Rahmen der Lehre des Arbeitsbereichs 5 Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit setzt die AG Abendroth in ihren Lehrveranstaltungen inhaltliche und methodische Schwerpunkte, die eng mit den Forschungsthemen der AG verknüpft sind. Folgenden Themen werden dabei regelmäßig in Lehrveranstaltungen im Masterstudiengang Soziologie (und ggfls. weiteren Masterstudiengängen der Fakultät) angeboten:
Neben dem Erwerb theoretischer Grundlagen liegt der Fokus auf der Verwendung aktueller empirischer Literatur. Dabei lernen Studierende, empirische Texte zu verstehen, kritisch zu reflektieren und mit anderen Studierenden zu diskutieren. Mit Blick auf die Forschungsmethoden der Arbeitsgruppe liegt unser Schwerpunkt auf quantitativen Methoden. Dazu gehören insbesondere Mehrebenenanalysen, die Unterschiede zwischen Arbeitsorganisationen und/oder Ländern berücksichtigen können, sowie Längsschnittanalysen, die sozialen Wandel über längere Zeiträume messen können.
Didaktische Schwerpunkte
Wir setzen uns das Prinzip des forschenden Lernens als didaktischen Schwerpunkt. Um Studierenden die Möglichkeit zu geben, eigene Forschungskompetenzen zu erwerben und selbstständig gewählte Forschungsfragen zu bearbeiten, bieten wir regelmäßig Lehrforschungen an. Dabei wird entweder mit vorhandenen Datensätzen gearbeitet (z.B. European Social Survey) oder eigene Erhebungen durchgeführt. Dadurch üben Studierende beispielsweise die Entwicklung eines Studiendesigns und Durchführung einer eigenständigen Erhebung, die Auswahl geeigneter Datengrundlagen für Sekundäranalysen und/oder die Durchführung und Interpretation eigener empirischer Analysen anhand konkreter, realistischer und relevanter Fragestellungen. Ein Fokus liegt dabei immer auf der eigenständigen Erarbeitung und Auswahl der Fragestellung, sodass Studierende ihre eigenen Forschungsinteressen einbringen und umsetzen können.
Weiterhin bieten wir regelmäßig Lehrveranstaltungen an, die konkrete Bezüge zu laufenden Forschungsprojekten haben, sodass Studierende Einblicke in tatsächlich laufende Forschungsprozesse haben. Dazu gehören beispielsweise inhaltliche Einblicke, aber auch Gastvorträge durch Projektbeteiligte. Gastvorträge externer Forscher:innen werden außerdem genutzt, um Studierenden unterschiedliche Forschungsperspektiven und -kontexte näher zu bringen.
Zusätzlich gehören regelmäßige Kolloquien oder Research Classes zu unserem Angebot, in denen Studierende und Promovierende die Möglichkeit haben, ihre aktuellen Arbeiten vorzustellen und Feedback durch Lehrende der Arbeitsgruppe zu erhalten und sich wechselseitige mit anderen Studierenden/Promovierenden zu unterstützen.
Abschlussarbeiten
Wir betreuen Bachelor- und Masterarbeiten sowie Promotionen. Leitfäden zu Anforderungen und Bedingungen von Haus- und Abschlussarbeiten finden Sie auf der übergeordneten Seite des Arbeitsbereichs 5 Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit.
Unsere Forschungsschwerpunkte und -perspektiven spiegeln sich in laufenden und vergangenen Projekten wider.
Infra4NextGen – Make it Digital
(2024 – 2028, gefördert durch EU-Horizon; Projektleitung: Anja Abendroth; Projektmitarbeiter: Lasse Marz)
Ziel dieses von der Europäischen Kommission geförderten Projekts ist es, junge Europäer:innen mithilfe sozialwissenschaftlicher Daten und Forschungsmethoden auf die Zukunft vorzubereiten.
Im Rahmen des Projekts, an dem ca. 30 Forschungseinrichtungen beteiligt sind, werden Workshops für junge Leute entwickelt, Daten internationaler Erhebungen vergangener Jahre aufbereitet und neue Daten zu relevanten Themenfeldern erhoben. Unter dem Label „Make it Digital” wurde ein aus ca. 90 Fragen bestehendes Itemset zur Digitalisierung erstellt, das die zentralen Aspekte dieses Themenfelds abdeckt. Dazu gehören unter anderem Internetzugang, digitale Kompetenzen, digitale Kommunikation, soziale Medien, Datenschutz und künstliche Intelligenz. Die Items wurden im Rahmen des Cronos3-Panels zur Datenerhebung in elf europäischen Ländern genutzt. Neben dem Thema Digitalisierung wurden hier auch Einstellungen bezüglich Klimawandel, sozialer Ungleichheit, Resilienz und Gesundheit erfasst. Die Datensätze sind nach der Veröffentlichung für alle Interessierten frei verfügbar.
Basierend auf bereits existierenden Daten (ESS, ISSP, EVS, GGS) wurde ein Data Summary erstellt, das die Entwicklung der digitalen Spaltung in Europa deskriptiv nachzeichnet und Bereiche mit Datenlücken identifiziert. So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass Internetzugang heute kaum noch von Alter oder Bildung abhängig ist. Gleichzeitig ist der Zugang zum mobilen Internet weiterhin ungleich verteilt. Besonders groß sind hier die Unterschiede zwischen den Ländern. Künstliche Intelligenz wurde hingegen bisher nicht berücksichtigt. Das Data Summary wird im Laufe des Projekts um Daten aus dem Cronos3-Panel ergänzt.
Auf Basis dieser Daten verfolgen wir verschiedene Forschungsinteressen. Dazu gehören die Verteilung von digitalen Kompetenzen in Europa, der Einsatz künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz zu verschiedenen Zwecken sowie die digitale Kommunikation am Arbeitsplatz.
Die Wahl zwischen Zeit und Geld: Neue Flexibilität für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem?
(2021-2027, gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung; Projektleitung: Anja Abendroth; Projektmitarbeiterin: Alexandra Mellies)
Immer mehr Beschäftigte sehen sich mit Vereinbarkeitskonflikten zwischen Privatem und Beruflichem konfrontiert. Entsprechend hat der Wunsch nach mehr Mitbestimmung in der Gestaltung der individuellen Arbeitszeit gesellschaftlich stark an Bedeutung gewonnen. Vor diesem Hintergrund haben einige Gewerkschaften tarifliche Regelungen durchgesetzt, die es Beschäftigten erlauben, sich jährlich zwischen mehr Zeit oder mehr Geld zu entscheiden.
Während die Option Zeit je nach Tarifvertrag zusätzliche Urlaubstage oder eine verkürzte Wochenarbeitszeit beinhaltet, umschreibt die Option Geld eine Sonderzahlung oder monatliche Entgelterhöhung.
In diesem Kooperationsprojekt zwischen der Universität Bielefeld und dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) werden verschiedene Aspekte der tariflichen Regelungen zur Wahl von Zeit oder Geld untersucht. Aufgrund der Neuartigkeit ist bisher beispielsweise nicht bekannt, welche Beschäftigten Zeit oder Geld wählen und aus welchen Gründen. Auch ist bisher nicht bekannt, inwiefern der betriebliche, berufliche und familiäre Kontext mit der Wahlentscheidung im Zusammenhang stehen. Erste Ergebnisse aus dem Projekt zeigen, dass – ähnlich wie bei Teilzeitrechten – Frauen die Zeitwahloption häufiger nutzen als Männer (Mellies et al., 2025). Bei den dahinterliegenden Motiven für die Zeitwahl überwiegen hingegen elternschaftsspezifische Muster.
Die Datengrundlage bildet ein verknüpfbarer Betriebs- und Beschäftigtendatensatz, der im Rahmen des Projektes erhoben wurde, und mit administrativen Daten angereichert wurde. Der Datensatz umfasst Betriebe, die eine solche tarifliche Regelung implementiert haben sowie Beschäftigte der befragten Betriebe, die für das Beschäftigungsjahr 2022 zwischen Zeit und Geld wählen durften (Peters et al., 2024; Ruf et al., 2024).
Veränderte Arbeitsanforderungen und Lebensqualität in digitalisierten Arbeitswelten: Welche Rolle spielen organisationale bzw. betriebliche Rahmenbedingungen?
(2021-2023, gefördert durch Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Projektleitung: Anja Abendroth & Mareike Reimann; Projektmitarbeiterin: Charlotte Schröder (geb. Marx))
In Zusammenarbeit mit der BAuA hat das Projekt untersucht, welche Formen digitalisierter Arbeit in welchen Arbeitsorganisationen und für welche Beschäftigte vorzufinden sind und welche Bedeutung ihre Umsetzungen für die Arbeitsqualität und Lebensqualität haben.
In einem Teilprojekt konnte gezeigt werden, dass der Anteil digitaler Kommunikation an der Gesamtkommunikation zwischen Beschäftigten stark variiert und persönliche Kommunikation für viele Beschäftigte immer noch den größeren Teil der Kommunikation ausmacht. Es lässt sich aber auch feststellen, dass digitale Kommunikation für viele Beschäftigte mit mehr Flexibilitätsmöglichkeiten einhergeht. Gleichzeitig nehmen Beschäftigte auch erhöhte Anforderungen, wie ständige Erreichbarkeit und Überforderung durch digitale Kommunikation, wahr. Häufig empfinden Beschäftigte folglich sowohl hohe Anforderungen als auch hohe Flexibilitätsmöglichkeiten durch digitale Kommunikation (Flexibilitätsparadoxon) (Reimann et al., 2024a; 2024b). Das Projekt zeigt auch, dass Führungskräfte digitale Kommunikationsmittel noch stärker nutzen als Beschäftigte ohne Führungsverantwortung (Marx et al., 2021).
In dem anderen Teilprojekt wurde digitales Monitoring näher in den Blick genommen. Im Zuge der Digitalisierung wird eine zunehmende Anzahl von digitalen Daten über Arbeitsschritte von Beschäftigten automatisch gespeichert. Die Verwendung dieser Daten für das Controlling und die Steuerung von Prozessen, aber auch im Personalmanagement wird kontrovers diskutiert. Projektergebnisse aus dem zweiten Teilprojekt zeigen, dass die automatische Datenspeicherung von Arbeitsschritten und ihre Nutzung für Leistungsevaluationen, als eine Form des digitalen Monitorings, bereits unter Beschäftigten verbreitet ist und das Wohlbefinden und die Arbeitsautonomie von Beschäftigten beeinträchtigen kann (Marx et al. 2022; Meyer et al., In Begutachtung). Das Projekt macht jedoch auch deutlich, dass Erfahrungen mit digitalem Monitoring von der Einbettung in Betrieben und Berufen und dort bestehende Anerkennungsstrukturen mitbestimmt wird (Abendroth et al., In Begutachtung).
Flexibilität in digitalisierten Arbeitswelten: Die Nutzung und Auswirkungen von Teleheimarbeit und digitaler Arbeitskommunikation im europäischen Ländervergleich
(2020-2023, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW; Projektleitung: Anja Abendroth, Projektmitarbeiterin: Laura Lükemann, Antje Schwarz)
Örtliche Flexibilität ist eines der zentralen Versprechen in der aktuellen Debatte um die Digitalisierung von Arbeit. Der Ausbau digitaler Infrastrukturen erlaubt zunehmend ortsunabhängige Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen sowie den örtlich flexiblen Zugang zu arbeitsbezogenen Daten und Informationen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten Arbeit orts- und zeitunabhängig zu gestalten. Bestehende Forschung verweist auf Chancen und Risiken digital ermöglichter Flexibilität sowohl für Arbeitgeber*innen als auch Arbeitnehmer*innen. Auf der einen Seite kann digital vermittelte Flexibilität Arbeitgeber*innen einen zunehmenden Zugriff auf die Arbeitskraft erlauben. Zum anderen wird digital vermittelte Flexibilität auch als Ressource für Beschäftigte beschrieben, um Arbeit und Privates besser zu vereinbaren.
Im Rahmen des Projektes wurde der Frage nach dem Zusammenspiel digitaler Infrastrukturen und gesellschaftlicher Institutionengefüge für die Realisierung von Flexibilitätsinteressen von Arbeitgeber*innen und/oder Arbeitnehmer*innen nachgegangen. Die gesellschaftliche Bewältigung dieser Flexibilitätsinteressen wurde anhand der Intensität des orts- und zeitunabhängigen Zugriffs auf die Arbeitskraft, in Form von digitaler Arbeitskommunikation und Teleheimarbeit, und damit verbundenen Vereinbarkeitskonflikten zwischen Beruf und Privatem untersucht. Dabei wurde auch der vermittelnde Einfluss von wahrgenommenen Organisationskulturen und darin enthaltenen (digitalen) Verfügbarkeitserwartungen geprüft. Datengrundlage sind Befragungsdaten von Erwerbstätigen aus 31 Ländern, die im Rahmen des European Social Surveys 2021 am Rotationsmodul zu „Digital Social Contacts in Work and Family Life“ teilgenommen haben, welches durch die Projektleitung mit initiiert und gestaltet wurde. Die Daten wurden mit länderspezifischen Informationen verknüpft und mit Hilfe von hierarchischen Regressionsanalysen ausgewertet.
Die Ergebnisse verdeutlichen die komplexen Wechselwirkungen zwischen digitaler Arbeitskommunikation, Flexibilität und der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. Eine zentrale Erkenntnis ist, dass digitale Technologien sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Erwerbsbeteiligung von Müttern darstellen können (Lükemann 2024). Insbesondere in Ländern, die eine Politiken der De-Familialisierung fördern, wird es Müttern ermöglicht, ihre beruflichen und privaten Verpflichtungen unter dem Einsatz digitaler Kommunikation besser zu vereinbaren. Weiterhin kann Kommunikationen mit Vorgesetzten über digitale Technologien zu einer besseren Vereinbarkeitsunterstützung beitragen (Abendroth & Schwarz 2023).
Interdisziplinäre Analysen zur Nutzung von Telearbeit zeigen die technologisch ermöglichte und gesellschaftlich vorbereitete Zunahme seit den 1970er Jahren auf (Homberg et al. 2023). Während sich Arbeitszeitstruktur von Telearbeitenden in der COVID-19-Pandemie verändert haben. Zudem sollte in der Forschung und der Anwendung zwischen formeller und informeller Telearbeit unterschieden werden, da gerade informelle Telearbeit potenziell mit mehr Konflikten zwischen Berufs- und Familienleben einhergehen kann (Schwarz & Abendroth 2024).
Wie kann Homeoffice gelingen? Faire Lösungen aus der Sicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
(2020-2021, gefördert durch Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Projektleitung: Mareike Reimann, Martin Diewald)
Ein nachhaltig gelingendes Angebot von Homeoffice bzw. mobiler Arbeit setzt voraus, dass dabei alle Beteiligten ins Boot geholt werden. Nicht nur diejenigen, die selbst Homeoffice in Anspruch nehmen, sondern auch die anderen Teammitglieder, inklusive der über- und untergeordneten Kolleg:innen, müssen die entsprechenden Lösungen als machbar und fair empfinden – ob sie nun selbst im Homeoffice arbeiten oder nicht. Der zentrale Ansatz des Projekts war deshalb, mit Hilfe einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung zum einen von allen beteiligten Gruppen im Betrieb die jeweiligen Vorstellungen zu erfassen und auf Gemeinsamkeiten, aber auch mögliche Konflikte hin zu analysieren. Zum anderen wurden Betriebe miteinander verglichen, um herauszufinden, inwiefern unterschiedliche Bedingungen und Herangehensweisen auch zu unterschiedlich gelingenden Ergebnissen führen.
Die Ergebnisse aus dem Projekt zeigen, dass die Erfahrungen mit Homeoffice während der COVID-19 Pandemie insgesamt sehr positiv waren – auf Arbeitgeber wie auf Beschäftigtenseite. Es zeigt sich beispielsweise auch, dass im Vergleich zu formalen Kriterien, technischer Ausstattung oder einem unterschiedlichen Umfang von Homeoffice vor allem die Qualität der Beziehungen zu Kolleg*innen und Vorgesetzten eine zentrale Rolle dafür spielen, ob Homeoffice gelingt (Reimann & Diewald, 2023). Insbesondere Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzte verstärkt auch die Möglichkeiten der Flexibilität, die das Homeoffice ermöglichen kann, sodass Konflikte zwischen Berufs- und Privatleben geringer ausfallen können (Reimann, 2023). Es zeigt sich auch, dass die Nutzung von Homeoffice besonders dann förderlich für Vereinbarkeit ist, wenn zeitliche Flexibilität, Autonomie und ebenso transparente und klare Regeln über die Erwartung von Verfügbarkeit im Homeoffice gelten.
Wertkonflikte bei der Gestaltung sozio-technischer Systeme am Beispiel der Verteilung von Arbeitsaufgaben
(2019-2022; gefördert vom Landesministerium für Kultur und Wissenschaft NRW im Rahmen des Fortschrittskollegs „Digitale Gestaltung von flexiblen Arbeitswelten“; Projektleitung: Anja Abendroth; Projektmitarbeiterin: Elisa Gensler)
Digitale Assistenzsysteme werden zunehmend eingesetzt, um Mitarbeiter:innen zu unterstützen und die Effizienz in verschiedenen Arbeitsumgebungen zu steigern. Allerdings sind die derzeitigen Assistenzsysteme oft zu starr, um eine personalisierte Unterstützung zu bieten, was die Arbeitsautonomie der Mitarbeiter einschränken kann. In interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Soziologie und Technikwissenschaften im Fortschrittskolleg wurde der Frage nachgegangen wie die Arbeitsautonomie des Menschen in Zusammenarbeit mit digitalen Assistenzsystemen verbessert werden kann, und welche Bedeutung dabei die Anpassungsfähigkeit der Assistenzsysteme hat (Gensler et al. 2023). Des Weiteren wurde herausgearbeitet, dass der Erhalt von Arbeitsautonomie bei algorithmischer Arbeitssteuerung, in der Beschäftigte automatisch generierte Arbeitsanweisungen erhalten, wesentlich von Kontrollkonfigurationen im Betrieb abhängt (Gensler et al. 2025; Gensler & Abendroth 2021). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kontrollkonfigurationen, die algorithmische Vorgaben und informelle Kontrolle durch persönliche Interaktion mit Vorgesetzten oder Kollegen kombinieren, die methodische Arbeitsautonomie fördern, vorausgesetzt, dass Unternehmen auf algorithmische Überwachung und die Abwertung bisheriger Fähigkeiten verzichten.
Forschungsschwerpunkt „Digitale Zukunft“
(2017-2020, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW; (Teil-) Projektleitung: Martin Diewald; Anja Abendroth als Juniorprofessorin; Mareike Reimann als Postdoc-Mitarbeiterin (später assoziiertes Mitglied))
Im Rahmen dieses Teilprojekts „Crowdworking im Rahmen des Wandels des Beschäftigungssystems als Konsequenz von Digitalisierung“ wurde auf der Basis quantitativer Befragungsdaten die Relevanz von Crowdwork (eine neue Form der Arbeitsorganisation, bei der Personen bezahlte Aufgaben übernehmen, die über Plattformen im Internet vermittelt werden) für Beschäftigungsbeziehungen, für soziale Ungleichheiten, für die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie für die individuelle Gesundheit untersucht.
Mit Hilfe einer im Forschungsschwerpunkt durchgeführten interdisziplinären Crowdworker-Befragung auf verschiedenen deutschsprachigen Plattformen wurde gezeigt, dass Crowdworker die zeitliche Flexibilität und Autonomie in Crowdwork für eine bessere Work-Life Balance und ein besseres Wohlbefinden nutzen können. Insbesondere Flexibilitätspotentiale und Handlungsspielräume können dazu beitragen Vereinbarkeit zu befördern. Jedoch nur, wenn Erwerbstätige nicht von der Arbeit auf der Plattform abhängig sind (Abendroth & Schwarz, 2022). Weiterhin zeigt sich, dass sich mit Crowdwork verbundene Anforderungen wie beispielsweise Zeitdruck, Einkommensunsicherheit oder die Schwierigkeit, passende Aufgaben auf den Crowdwork-Plattformen zu finden, belastend auf die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden von Crowdworkern auswirken (Reimann & Abendroth, 2023). Einen Teil der Risiken machen außerdem mangelnde Beschäftigungssicherheit und Eigenverantwortung für die Einbettung in soziale Sicherungssysteme ähnlich wie bei Solo-Selbstständigen aus (Hemsen et al., 2023).
Im Rahmen unserer Forschung haben wir uns außerdem mit innerbetrieblichem Crowdsourcings als Teil innerbetrieblicher Flexibilisierungsstrategien im Rahmen der digitalen Transformation befasst. Im Vergleich zu externem Crowdsourcing, welches in deutschen Großbetrieben zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenig genutzt wurde, wurde internes Crowdsourcing sehr häufig verwendet (Reimann et al., 2020). Hier werden bereichs- und ggfls. funktionsübergreifende Aufgaben und Tätigkeiten über interne Online-Plattformen an bereits im Betrieb beschäftigte Mitarbeiter (um)verteilt, um über den gesamten Betrieb verteiltes Wissen zu bündeln und nutzbar zu machen (Matching von Fertigkeiten, Erfahrungen und Kenntnissen zu Aufgaben) (Abendroth et al., 2020).
Wechselwirkungen zwischen Verwirklichungschancen im Berufs- und Privatleben. Eine Untersuchung von Beschäftigten in unterschiedlichen Arbeitsorganisationen
(2017-2020, gefördert durch die DFG; Projektleitung: Anja Abendroth, Silvia Melzer, Martin Diewald; Projektmitarbeiterinnen: Laura Lükemann, Charlotte Marx, Eileen Peters; Assoziiertes Mitglied: Mareike Reimann)
Ziel des Projektes war es, berufliche wie private Herausforderungen von Arbeitnehmer:innen in der heutigen Zeit abzubilden, gleichzeitig aber auch Chancen zu untersuchen. Damit sollte ein Beitrag zur Mechanismus-gestützten Erklärung sozialer Ungleichheit geleistet werden. Dabei bildete die Relational Inequality Theorie den Bezugsrahmen: eine soziologische Theorie, die in der theoretischen und empirischen Organisationsforschung verstärkt an Bedeutung gewonnen hat. Diese theoretische Perspektive erklärt insbesondere, wie Betriebe und ihre Merkmale soziale Ungleichheiten reduzieren oder verstärken können.
a) Organisationale Einkommensungleichheiten
Insgesamt heben die Projektergebnisse eine hohe Variation in den sozialen Ungleichheiten zwischen den Betrieben hervor. Dies unterstreicht die Bedeutung einer betrieblichen Ungleichheitsperspektive für die Erforschung von Arbeitsmarktungleichheiten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass betriebliche Ungleichheit durch eine Vielzahl von konkurrierenden Mechanismen beeinflusst werden, wie z.B. die Hierarchisierung innerhalb der Betriebe gemessen an der Zusammensetzung der Belegschaft oder der Einkommensverteilung innerhalb der Betriebe (Abendroth et al., 2016; Melzer et al., 2018; Peters & Melzer, 2022; Peters et al., 2020). Auch relationale Mechanismen – die die Position einer Minderheit, wie z.B. Migraten:innen, im Verhältnis zu der Position der Mehrheit im Betrieb abbilden – tragen zum Verständnis von Generierung und Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheiten bei (Melzer et al., 2018; Peters & Melzer, 2022). Es entsteht ein komplexes Bild, das von Wechselbeziehungen zwischen den Mechanismen geprägt ist, aber den Betrieb auch in das die organisationale Umwelt und z.B. der dort geltenden gesetzlichen Regelungen oder der technischen Entwicklung einbettet (Peters & Melzer, 2022). Unsere Ergebnisse legen auch nahe, dass Mitarbeitervertretungen, die die Interessen der Mitarbeiterenden gegenüber dem Betrieb vertreten und somit indirektes claim making betreiben, einen hohen Beitrag zur Reduzierung der Einkommensungleichheiten leisten (Melzer et al., 2018).
Im Detail zeigen die Ergebnisse, dass Regelungen im öffentlichen und privaten Sektor das Ausmaß der Lohnungleichheit zwischen Deutschen und Migrant:innen beeinflussen (Peters & Melzer, 2022). Personen mit eigener Migrationserfahrung sind im privaten Sektor mit erheblichen Lohnunterschieden konfrontiert, nicht aber im öffentlichen Sektor. So schützt der öffentliche Sektor mit seinen formalisierten Lohnskalen Personen mit Migrationshintergrund vor Lohnnachteilen. Darüber hinaus scheint das idiosynkratische institutionelle Umfeld des öffentlichen und des privaten Sektors die Effizienz von Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt am Arbeitsplatz zu beeinträchtigen. Während Diversitätsmaßnahmen im öffentlichen Sektor mit geringeren Einkommensungleichheiten einhergehen, scheinen sich Diversitätsmaßnahmen im privaten Sektor negativ auf die Einkommensungleichheiten zwischen Deutschen und Migrantin:innen auszuwirken. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die Lohnnachteile von Migrant:innen im öffentlichen Sektor gemildert werden können, wenn sie eine höhere relationale Statusposition im Vergleich zu Deutschen im Betrieb haben. Unabhängig von individuellen Sprachniveaus haben Diversitätsmaßnahmen, die auf die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten der Migrant:innen abzielen, nicht die erwarteten positiven Auswirkungen. Vielmehr zeigte sich, dass Diversitätsmaßnahmen nicht per se das Ziel gleicher Beschäftigungschancen für Frauen erreichen: Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede sind in Betrieben, die freiwillige Frauenquoten anwenden, geringer, allerdings trifft dies nur auf höher qualifizierte Beschäftigte zu (Peters et al., 2020). Ob die geschlechtsspezifischen innerbetrieblichen Lohnunterschiede geschlossen werden oder in welchem Ausmaß sie fortbestehen, hängt zudem von der vorherrschenden Geschlechterideologie in der Belegschaft ab. Diese Geschlechterideologien scheinen moralische Barrieren und die Intensität der geschlechtsspezifischen Statuszuschreibungen widerzuspiegeln. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die alleinige Umsetzung von Diversitätsmaßnahmen keine positive Veränderung am Arbeitsplatz garantiert. Somit ist es von entscheidender Bedeutung, externe und interne Arbeitsplatzmerkmale zu berücksichtigen, die das einzigartige Ungleichheitsregime formen, in dem diese Maßnahmen umgesetzt werden.
Ein weiteres Ziel unserer Analyse war es, soziale Ungleichheit nicht nur anhand einer Dimension zu erklären, sondern Eigenschaften wie Gender, Migrationsstatus oder Elternschaft in Bezug zueinander zu setzen und diese im betrieblichen Kontext zu analysieren. Die zentrale Idee der relationalen Ungleichheitstheorie, dass die relationale Positionierung von Gruppen in Betrieben die soziale Ungleichheit beeinflusst, konnte sowohl für Migrant:innen der ersten und der zweiten Generation sowie für Frauen bestätigt werden. Auf der individuellen Ebene zeigte die Intersektion zwischen Gender und Elternschaft, dass kategoriale (Un-)Ähnlichkeit in Bezug auf Geschlecht, Elternschaft und deren Überschneidungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden die Wahrscheinlichkeit der Weiterbildungsteilnahme bestimmt (Peters et al., 2023). Die Ergebnisse unterstreichen jedoch, dass die Bevorzugung der eigenen Gruppe nicht für jede beobachtete kategoriale Gruppenzugehörigkeit gleich stark ist: Nur Männer und Eltern profitieren von der Bevorzugung der eigenen Gruppe durch Vorgesetzte. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Mütter davon profitieren, wenn sie einen Vater als Vorgesetzten haben, da sie dann häufiger an Weiterbildungen teilnehmen, als wenn sie eine kinderlose Person als Vorgesetzte/n haben. Somit erweitern diese Ergebnisse die aktuelle Literatur, die bisher nur die Bevorzugung im Zugang zu Betriebsressourcen aufgrund des Geschlechts betrachtet hat, während der Elternstatus keine Beachtung gefunden hat. Eine weitere zentrale Erkenntnis ist, dass der Elternschaftsstatus intrageschlechtliche Prozesse auszulösen scheint, bei denen Väter und kinderlose Männer andere Männer nicht per se bevorzugen, sondern nur dann, wenn sie den gleichen Elternschaftsstatus haben.
Letztlich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass geschlechtsspezifische Ungleichheiten in dem Zugang zu Betriebsressourcen auch während der COVID-19-Pandemie in Betrieben vorzufinden sind (Peters 2021). Zwar unterscheiden sich Frauen und Männer nicht in ihren Erwartungen, mit Weiterbildungsmöglichkeiten ausgestattet zu werden, um erfolgreich von zu Hause aus arbeiten zu können, aber die Erwartungen von Männern werden häufiger erfüllt. Daher werden vorherige geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei der Geltendmachung von Ansprüchen reproduziert. Somit tragen die Ergebnisse zu unserem Verständnis darüber bei, wie sich die COVID-19-Pandemie auf die (Un-)Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ausgewirkt hat. Darüber hinaus können diese geschlechtsspezifischen Ungleichheiten durch die vorherrschenden Geschlechterideologien innerhalb der Belegschaft abgeschwächt oder verstärkt werden. Der normative Betriebskontext beeinflusst also die Prozesse innerbetrieblicher Verhandlungen und damit das Ausmaß der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in Bezug auf angemessene Weiterbildungsmöglichkeiten. Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieses Dissertationsprojekts die komplexe und verflochtene Art und Weise, in der externe und interne Betriebsmerkmale relationale Ungleichheiten am Arbeitsplatz schaffen und aufrechterhalten.
b) Wechselbeziehungen von Erwerbsarbeit und Privatleben und ihre betriebliche Strukturierung
Die Retraditionalisierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung nach der Geburt eines Kindes gilt nach wie vor als eine der zentralen Erklärungen von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. So unterbrechen Frauen, als traditionell Hauptverantwortliche für Haushalt und Kindererziehung bzw. Pflege von Angehörigen, eher ihre Arbeit oder reduzieren ihre Arbeitsstunden, um Vereinbarkeitskonflikte zwischen Beruf und Familie zu reduzieren. Lohneinbußen und eine geringe Chance auf Führungspositionen sind hier häufig die Konsequenz. Darüber hinaus verfestigen sich, aufgrund der Persistenz der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und den damit verbundenen unterschiedlichen Erwerbsmustern. So werden Frauen und insbesondere Mütter häufiger als weniger produktiv wahrgenommen.
In ähnlicher Weise zeigt auch das Teilprojekt, dass Mütter eher als Väter nach der Geburt eines Kindes ihre Arbeitsstunden anpassen, um Vereinbarkeitskonflikte zu reduzieren (Abendroth 2022; Lükemann 2021) und seltener ihr berufliches Fortkommen mit Vorgesetzten aufgrund von Teilzeitarbeit verhandeln („Claims making“ als Mechanismus der Ungleichheitsgenese: siehe Lükemann & Abendroth 2018). Zudem wird deutlich, dass Mütter innerhalb von Betrieben geringere Löhne unabhängig von Humankapital und ihrer beruflichen Position erzielen (Stereotypisierung als Mechanismus der Ungleichheitsgenese: sh. Abendroth & Diewald 2019) und auch ihre Verhandlungen über berufliches Fortkommen seltener langfristig zu beruflichen Aufstiegen und Lohnzuwächsen führen, obwohl sowohl Männer als auch Frauen ihre Beschäftigungssituation unmittelbar nach Verhandlungsgesprächen mit Vorgesetzten als verbessert empfinden (Lükemann & Abendroth 2025).
Das Projekt weist jedoch auch darauf hin, dass Vereinbarkeitskonflikte und Arbeitszeitanpassungen aufgrund von Mutterschaft und Vaterschaft, Verhandlungen des beruflichen Fortkommens und damit verbundene Lohn und Berufsstatusentwicklungen sowie Einkommensungleichheiten nach Geschlecht und Elternschaft in Abhängigkeit von betrieblichen Politiken, Kulturen und Strukturen stark variieren. Dies unterstützt die Annahme, dass sich Arbeitsorganisationen in ihren Ungleichheitsregimen unterscheiden.
Die Bedeutung von erlebter Familienfreundlichkeit in der Arbeitsorganisation
Flexible Arbeitsformen in Ort und Zeit werden gerade in Großbetrieben als familienfreundliches Arbeitsarrangement angeboten. Der Forschungsstand zeigt jedoch, dass flexible Arbeitsformen auch mit ausgeprägten Konflikten zwischen Berufs- und Privatleben einhergehen können und nicht per se zum Abbau von Lohnungleichheiten nach Geschlecht und Elternschaft beitragen. Das Teilprojekt legt die Schlussfolgerung nahe, dass sich unterschiedliche Umsetzungsformen des flexiblen Arbeitens etabliert haben. Das Arbeiten von zu Hause scheint dabei seltener mit mehr Vereinbarkeitskonflikten einherzugehen, wenn Beschäftigte Familienfreundlichkeit im Betrieb erleben, und zwar als erlebte Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Vorgesetzte (Abendroth & Reimann 2018). Zudem zeigt sich, dass nur eine verbreitete Nutzung dieser Form des örtlich flexiblen Arbeitens im Betrieb geringere Einkommensungleichheiten nach Geschlecht und Elternschaft bedeutet, wenn die Nutzung mit einer Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Vorgesetzte einhergeht (Abendroth & Diewald 2019). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Umsetzung von flexiblen Arbeitsformen als Unterstützung für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben am ehesten dort zu finden sind, wo die Unterstützung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben Teil der Organisationskultur ist. Auch in Betrieben mit einer Lockerung der Vollzeitnorm ergriffen Mütter häufiger die Initiative, mit Vorgesetzen über berufliches Fortkommen zu sprechen (Lükemann & Abendroth 2018). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Verfügbarkeitserwartungen im Betrieb die Legitimität, berufliches Fortkommen zu verhandeln, mit beeinflussen. Diesbezüglich zeigen die Ergebnisse auch, dass gerade, wenn Beschäftigte hohe Erwartungen an Mehrarbeit und Belastungsfähigkeit im Betrieb wahrnehmen, die Arbeit von zu Hause aufgrund der damit verbundenen Mehrarbeit mit ausgeprägten Vereinbarkeitskonflikten einhergeht (Abendroth & Reimann 2018). Geht das Arbeiten von zu Hause mit Erwartungen an Mehrarbeit einher, werden zudem Einkommensunterschiede nach Geschlecht und Elternschaft sogar akzentuiert (Abendroth & Diewald 2019). Hier wird eine Umsetzung von flexiblen Arbeitsformen als Entgrenzung nahe gelegt, in denen flexible Arbeitsformen als Flexibilitätsinteressen der Arbeitgeber:innen dienen. Diese Umsetzung entspricht der Norm eines idealen Beschäftigten, die sich an traditionell männlichen Erwerbsbiografien orientiert und sich durch hohe Präsenz und Verfügbarkeit für die Arbeit auszeichnet.
Längsschnittliche Analysen im Teilprojekt machen jedoch auch deutlich, dass flexible Arbeitszeiten zu Abweichungen von der Retraditionalisierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung nach der Geburt eines Kindes beitragen können. Flexible Arbeitszeiten scheinen keine zusätzliche, sondern eine alternative Ressource zu sein, um die Wahrscheinlichkeit von zunehmenden Vereinbarkeitskonflikten nach dem Übergang in Mutterschaft zu reduzieren (Abendroth 2022). In dem Fall waren Arbeitszeitanpassungen, die zu geringeren Vereinbarkeitskonflikten nach dem Übergang in Mutterschaft beitrugen, weniger ausgeprägt. Auch erlebten Frauen, die flexible Arbeitszeiten beim Übergang in Elternschaft nutzten, bereits vor der Geburt eines Kindes geringere Vereinbarkeitskonflikte. Dies legt nahe, dass die Selektion in Arbeitsorganisationen eine wesentliche Rolle für erlebte Vereinbarkeitskonflikte beim Übergang in Mutterschaft und damit verbundene Anpassungen des beruflichen Lebensverlaufs spielt.
Längsschnittliche Analysen verweisen auch auf einen organisationalen Wandel im Beobachtungszeitraum. So zeigt sich ein genereller Zeittrend, in dem Väter anfangen, überlange Arbeitsstunden zu reduzieren und Großbetriebe familienfreundlicher werden (Abendroth & Lükemann 2023). Auch eine zunehmende Nutzung von flexiblen Arbeitsformen im Betrieb im Zeitverlauf des Panels scheint mit geringeren Vereinbarkeitskonflikten von Beruf und Familie einherzugehen. Dieser Zusammenhang scheint jedoch nicht kausal einem Policy-Feedback-Mechanismus zu entsprechen, wie er für nationale Veränderungen in Familienpolitiken gefunden wurde. Vielmehr scheint eine zunehmende Verbreitung von flexiblen Arbeitsformen als Teil von familienfreundlichen Personalpolitiken im Betrieb auch eine generell zunehmende Familienfreundlichkeit im Betrieb zu identifizieren. Die legt nahe, dass der normative und ökonomische Druck auf Großbetriebe gestiegen ist, familienfreundlicher zu werden und eine bessere Abstimmung zwischen Berufs- und Privatleben zu ermöglichen. In welchem Umfang Arbeitsorganisationen reagieren, scheint jedoch zu variieren. Zudem zeigen sich Grenzen des organisationalen Wandels in der Persistenz der Vollzeitnorm.
Geschlechterstruktur der Arbeitsorganisation
Die Ergebnisse des Teilprojektes machen zum einen deutlich, dass die Geschlechterstruktur der Arbeitsorganisation Unterschiede in Arbeitszeitanpassungen zwischen Müttern und Vätern kaum beeinflusst. Die geschlechtsspezifische Selektion in unterschiedliche Arbeitsorganisationen und Berufe trug nicht zur Erklärung bei, warum Väter seltener Arbeitsstunden reduzieren als Mütter (Lükemann 2021). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Arbeitszeitanpassungen von Männern und Frauen eher auf traditionelle Geschlechterrollen als auf den Arbeitskontext zurückzuführen sind.
Ein anderes Bild zeigt sich jedoch, wenn die Bedeutung der Geschlechterstruktur der Arbeitsorganisation für geschlechtsspezifische Ungleichheiten in Verhandlungen des beruflichen Fortkommens (claims making) und damit verbundene Konsequenzen für Einkommen und Berufsstatus in den Blick genommen werden. Wenn Frauen in Betrieben mit hohem Anteil von Frauen in Führungspositionen arbeiten und gleichzeitig unter weiblichen Vorgesetzten tätig sind, ergreifen sie eher die Initiative, mit Vorgesetzen über ihr berufliches Fortkommen zu sprechen. Auch scheint mit dieser Initiative eher ein berufliches Fortkommen verbunden zu sein, wenn Frauen in Betrieben mit einem größeren Anteil von Frauen in Führungspositionen arbeiten (Lükemann & Abendroth 2025). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Ansprüche von Frauen in Arbeitsorganisationen, die bereits mehr Frauen in einflussreichen Positionen haben, als legitimer angesehen werden als in Organisationen, in denen Führungspositionen insbesondere männlich dominiert sind.
Beschäftigungsbeziehungen
Mit zunehmender Diversität auf dem Arbeitsmarkt durch einen stark gestiegenen Anteil weiblicher Erwerbstätiger, heterogener Familienformen und der Abnahme traditioneller Normen, rückt die Rolle und Verantwortung von Betrieben in der Schaffung integrativer Beschäftigungsbedingungen verstärkt in den Fokus. Innerhalb der letzten Jahre zeigt sich dies auch in der Debatte um Vereinbarkeitsmaßnahmen als Möglichkeit der Unterstützung in der Handhabung beruflicher und privater Anforderungen, besonders für Personengruppen mit einem hohen Anteil an Sorgearbeit, z.B. Frauen und Eltern. Unter diesen weitgefassten Begriff fallen einerseits Maßnahmen zur zeitlichen und örtlichen Flexibilisierung von Arbeit wie flexible Arbeitszeiten oder Telearbeit/Homeoffice. Andererseits umfassen diese auch Betreuungsmaßnahmen wie betriebliche Kinderbetreuung oder (Re-)Integrationsmaßnahmen während und nach der Elternzeit.
Die Forschungsergebnisse zur Rolle von Vereinbarkeitsmaßnahmen für die Beschäftigungschancen von Erwerbstätigen sind bemerkenswert inkonsistent. Sie können positiv zur Bindung und Jobzufriedenheit der Beschäftigten an das Unternehmen beitragen und als Signal für Familienfreundlichkeit an die Beschäftigten dienen, andererseits können gerade flexible Arbeitszeitarrangements mit dem Empfinden sozialer Isolation mit Arbeitsintensivierung und höherem Stress einhergehen. Wichtig bei der Betrachtung von Vereinbarkeitsmaßnahmen ist, dass diese ein Teil betrieblicher Strukturen sind. Die Rolle von Betrieben als Orte, in denen Beschäftigungschancen verhandelt werden sowie Ungleichheiten entstehen, wurde, auch aufgrund der geringen Datenlage, in diesem Zusammenhang bisher allerdings wenig erforscht. Offensichtlich hängt ihre Wirkung sowohl von individuellen Merkmalen und ihrer Rolle in der jeweiligen Beschäftigungsbeziehung als auch betrieblichen Kontexten ab. Im Rahmen der durchgeführten und abgeschlossenen Dissertation wurden deshalb folgende übergreifende Fragestellungen behandelt: (1) Welche Rolle spielt der betriebliche Kontext bei der Wirksamkeit von Vereinbarkeitsmaßnahmen und (2) wie hängen diese mit Beschäftigungschancen zusammen, besonders im Hinblick auf Ungleichheiten nach Geschlecht und Elternschaft?
Die Rolle von organisationalen Policies für die Geschlechterordnung. Insgesamt hängt die geschlechtsspezifische Ungleichheitsverteilung sowohl immaterieller als auch materieller Gratifikationen mit der Implementierung von Vereinbarkeitsmaßnahmen zusammen. Bei aller Heterogenität beeinflussen sie beides im Durchschnitt zu Gunsten von Frauen. Darüber hinaus spielen sie auch für die Bindung von Frauen an den Betrieb eine positive Rolle. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Vereinbarkeitsmaßnahmen offensiv, d.h. nicht nur im Verborgenen, angeboten werden.
Vereinbarkeitskonflikte weiblicher Alleinerziehender. Gerade zu Alleinerziehenden lagen bisher kaum Untersuchungen vor, die ihre spezifische Verletzlichkeit für Vereinbarkeitskonflikte und die möglicherweise puffernde Wirkung von Vereinbarkeitsmaßnahmen ausgezeigt hätten. Es konnte gezeigt werden, dass diese Gruppe zwar vergleichbar viele work-to-family-Konflikte erfährt wie andere Familien auch, aber family-to-work-Konflikte signifikant häufiger auftreten. Weder organisationale noch individuelle Ressourcen pufferten Konflikte stärker ab, so dass?
Vereinbarkeits- und Gleichstellungsmaßnahmen im Zusammenhang. Beide Gruppen von personalpolitischen Maßnahmen wirken nicht isoliert, sondern ihre Wirkung wird zum Teil erst als Bestandteil einer umfassenden personalpolitischen Strategie sichtbar. Die Hauptkonfliktlinie verläuft dabei nicht zwischen Frauen und Männern generell, sondern zuungunsten von Müttern. Solche Maßnahmen, die die Elternrolle stark machen und mit Abwesenheit vom Arbeitsplatz verbunden sind, führen im Hinblick auf Einkommenschancen zu einer Benachteiligung dieser Gruppe gegenüber allen anderen.
Vereinbarkeitsmaßnahmen als Bindungsstrategie. Während es etliche Untersuchungen zur Bedeutung von Vereinbarkeitsmaßnahmen für ungleiche Gratifikationschancen und subjektive Arbeitsqualitäten gibt, ist ihre tatsächliche Bindungswirkung zur Vermeidung freiwilliger Betriebswechsel wenig untersucht worden. Es zeigte sich, dass Homeoffice und flexible Arbeitszeiten dann, wenn sie als ernsthafte Angebote implementiert wurden, tatsächlich zu weniger Fluktuation führen. Dies galt jedoch anders als erwartet nicht in besonderem Maße für Frauen und Mütter, sondern diese Angebote waren für alle Beschäftigtengruppen attraktiv.
Vereinbarkeitskonflikte und Gesundheit. Die Ergebnisse zeigen, dass negative Gesundheitseffekte von Schichtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Überstunden sowie Arbeitgebererwartungen an Erreichbarkeit und Mehrarbeit teilweise oder sogar vollständig über solche Konflikte vermittelt werden. Ein Teil des Gesundheitsrisikos wird dadurch erklärt, dass Beschäftigte auf Grund der Belastung durch eine bestimmte Arbeitszeitgestaltung größere Konflikte in der Kombination beruflicher und privater Anforderungen erleben, was sich wiederum negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt.
Die AG Abendroth kooperiert zudem mit anderen Arbeitsbereichen und anderen Fakultäten, insbesondere im Rahmen folgender Fokusbereiche:
Foundations and Implications of Human-AI Teamwork (FAITH)
FAITH untersucht die Möglichkeiten und Folgen von „Human-AI Teamwork“ – einer Zusammenarbeit von Menschen und KI-Systemen, bei der sie ihre unterschiedlichen Fähigkeiten zielgerichtet, situationsgerecht und koordiniert einsetzen, um gemeinsam eine Aufgaben zu lösen. Wir nehmen die technologischen, linguistischen, soziologischen und psychologischen Grundlagen von Human-AI-Teamwork in den Blick und erforschen die Auswirkungen auf Menschen sowie die Organisation und Qualität von Arbeit.
Conflicts of Inequality (COIN)
CoIn untersucht die komplexen Mechanismen und Moderatoren, die gesellschaftliche Ungleichheiten und Konflikte verbinden. Dafür wird ein empirischer, dateninnovativer Ansatz unter Einbindung sozial-, gesundheits- und datenwissenschaftlicher Perspektiven angewendet. Die Forschung zielt auf gesellschaftlich relevante und übertragbare Befunde.
Contestations of Gender and Democracy (ConGed)
ConGeD fokussiert auf die aktuelle gesellschaftspolitische Situation, in der Semantiken der Geschlechtergerechtigkeit, Demokratie und Pluralität nicht (mehr) selbstverständlich geteilt, sondern angefochten werden.
Professur für Sozialstrukturanalyse
anja.abendroth@uni-bielefeld.de
Sekretariat für Prof. Dr. Anja Abendroth
sekretariat.abendroth@uni-bielefeld.de
Akademische Rätin im
Bereich Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit (Prof. Abendroth)
mareike.reimann@uni-bielefeld.de
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Sozialstruktur und soziale Ungleichheit (Prof. Abendroth)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im HBS-Projekt "Die Wahl zwischen Zeit oder Geld: neue Flexibilität für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem?" (Prof. Abendroth)
alexandra.mellies@uni-bielefeld.de
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Sozialstrukturanalyse (Prof. Abendroth)
antje.schwarz@uni-bielefeld.de
Sekretariat für Prof. Dr. Anja Abendroth
sekretariat.abendroth@uni-bielefeld.de