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  • Bernd W. Seiler

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Bedenkenswertes

zu Literatur, Kunst und Wissenschaft

Wir lachen, wenn wir hören, daß bei den Alten auch die Künste bürgerlichen Gesetzen unterworfen gewesen. Aber wir haben nicht immer recht, wenn wir lachen. Unstreitig müssen sich die Gesetze über die Wissenschaften keine Gewalt anmaßen; denn der Endzweck der Wissenschaften ist Wahrheit. Wahrheit ist der Seele notwendig, und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieses wesentlichen Bedürfnisses den geringsten Zwang anzutun. Der Endzweck der Künste hingegen ist Vergnügen; und das Vergnügen ist entbehrlich. Also darf es allerdings von dem Gesetzgeber abhangen, welche Art von Vergnügen und in welchem Maße er jede Art desselben verstatten will.
Lessing in Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie, 1766 (Abschnitt 2). 

Je geschwinder er [der Dichter] seinen Zuhörern verständlich wird, desto geschwinder kann er sie interessieren. Diesen Vorteil hat auch der Maler, wenn uns sein Vorwurf nicht fremd ist, wenn wir mit dem ersten Blicke die Absicht und Meinung seiner ganzen Komposition erkennen ... Von dem ersten Blicke hanget die größte Wirkung ab, und wenn uns dieser zu mühsamem Nachsinnen und Raten nötiget, so erkaltet unsere Begierde, gerühret zu werden; um uns an dem unverständlichen Künstler zu rächen, verhärten wir uns gegen den Ausdruck, und weh ihm, wenn er die Schönheit dem Ausdrucke aufgeopfert hat! Wir finden sodann gar nichts, was uns reizen könnte, vor seinem Werke zu verweilen; was wir sehen, gefällt uns nicht, und was wir dabei denken sollen, wissen wir nicht.
Lessing in Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie, 1766 (Abschnitt 11). 

[Wäre die Kunst nur dem Urteil von Künstlern unterworfen], dünkt mich, wäre den Künstlern aller genannten Arten so wenig als ihrer Kunst selbst gedienet. Soll der Koch nur für Köche kochen und der Straßenfeger nur für die Gesellen und Mitmeister seiner Kunst fegen: so wird er meistens nichts als Kritik zu Dank und Lohne davontragen. Jeder der Herren hat seine eigne Manier zu kochen, zu malen und zu fegen, die ihm die liebste ist, weil er sie gelernt hat und außer der es für ihn keine gibt. Käme nun noch eine ganze Kunstakademie von Köchen und Sudlern zusammen; wehe dem armen Künstler! - Der Kunst geschehe damit also auch kein Vorteil, denn da doch der Zweck von ihr nicht in ihr selbst, sondern außer ihr liegt, in dem Genuss, den andre davon haben, in dem Nutzen, den sie schaffe, wie kann dieser erreicht werden, wie kann er nur noch einigermaßen unvertilgt bleiben, wenn man sie selbst als letzten Zweck, selbstgenügsam und zünftestolz behandelt? So kommt alles wieder in die Zünfte, [...] das Kunstwerk hört auf freie Kunst zu sein und wird selbst im Urteil und Gebrauch elendes despotisches Handwerk.
Herder in Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend, 1769 (Erstes Wäldchen). 

Mit Absicht handeln ist das, was den Menschen über geringere Geschöpfe erhebt; mit Absicht dichten, mit Absicht nachahmen ist das, was das Genie von den kleinen Künstlern unterscheidet, die nur dichten, um zu dichten, die nur nachahmen, um nachzuahmen, die sich mit dem geringen Vergnügen befriedigen, das mit dem Gebrauche ihrer Mittel verbunden ist, die diese Mittel zu ihrer ganzen Absicht machen und verlangen, dass auch wir uns mit dem eben so geringen Vergnügen befriedigen sollen, welches aus dem Anschauen ihres kunstreichen, aber absichtslosen Gebrauches ihrer Mittel entspringet.
Lessing in Hamburgische Dramaturgie, 1767 (34. Stück). 

Mir däucht, dass die neueren Analytiker durch ihre Bemühungen, den Begriff des Schönen abzusondern und in einer gewissen Reinheit aufzustellen, ihn beinah ausgehöhlt und in einen leeren Schall verwandelt haben, dass man in der Entgegensetzung des Schönen gegen das Richtige und Treffende viel zu weit gegangen ist ... Möchte es doch einmal einer wagen, den Begriff und selbst das Wort Schönheit, an welches einmal alle jene falsche Begriffe unzertrennlich geknüpft sind, aus dem Umlauf zu bringen und, wie billig, die Wahrheit in ihrem vollständigsten Sinn an seine Stelle zu setzen. 
Schiller am 7. Juli 1797 an Goethe. 

Was ist herrlicher als Gold? fragte der König.
Das Licht, antwortete die Schlange.
Was ist erquicklicher als Licht? fragte jener?
Das Gespräch, antwortete diese.
Goethe in den Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, 1795 (Das Märchen). 

Sie wollen, der Autor solle nicht persönlich rügen, wenn etwas gegen sein Werk geschieht. Bei ästhetischen Produktionen gebe ich es zu und habe es meist so gehalten. Man verlangt von ihnen keinen augenblicklichen Nutzen und kann ruhig zusehen, wie sie sich selbst Weg machen und wirken, früh oder spät. Bei wissenschaftlichen Dingen ist es ein andres. Die Wissenschaft erhält ihren Wert, indem sie nützt, die Menschen lehrt, wie man lange verborgene, verkannte, ans Licht gezogene, neuentdeckte Vorteile zu unübersehbarem Gebrauch anwenden könne. Das falsche Wissen dagegen hindert die Anwendung, ja verkehrt sie; dawider soll und muss man sich erklären. 
Goethe am 7. September 1821 an Joseph S. Zauper. 

Wie aber der Riese Antäus unbezwingbar stark blieb, wenn er mit dem Fuße die Mutter Erde berührte, und seine Kraft verlor, sobald ihn Herkules in die Höhe hob, so ist auch der Dichter stark und gewaltig, so lange er den Boden der Wirklichkeit nicht verlässt, und er wird ohnmächtig, sobald er schwärmerisch in der blauen Luft umherschwebt.
Heine in der Romantischen Schule, 1835 (2. Buch, Kapitel 4). 

Die ganze Lebensstimmung der Kunst ... wird sich ändern, und zwar ins Heiter-Bescheidenere, - es ist unvermeidlich, und es ist ein Glück. Viel melancholische Ambition wird von ihr abfallen und eine neue Unschuld, ja Harmlosigkeit ihr Teil sein. Die Zukunft wird in ihr, sie selbst wird wieder in sich die Dienerin sehen an einer Gemeinschaft, die weit mehr als 'Bildung' umfassen und Kultur nicht haben, vielleicht aber eine sein wird. Wir stellen es uns nur mit Mühe vor, und doch wird es das geben und wird das Natürliche sein: eine Kunst ohne Leiden, seelisch gesund, unfeierlich, untraurig-zutraulich, eine Kunst mit der Menschheit auf du und du ...
Thomas Mann im Doktor Faustus, 1947 (31. Kapitel). 

Wer die Sein-setzende Kraft von Namen, Zahlen, Daten, Grenzen, Tabellen, Karten nicht empfindet, tut recht daran, Lyriker zu werden; für beste Prosa ist er verloren: hebe Dich hinweg!
Arno Schmidt in Das steinerne Herz, 1956 (Kapitel II). 

Literatur ist der Versuch, das Leben bedeutungsvoller zu machen, als es eigentlich ist; Interpretation ist der Versuch, die Literatur bedeutungsvoller zu machen, als sie eigentlich ist. Das ist zwar kein Einwand, weder gegen das eine noch das andere, aber man tut gut, es sich gelegentlich vor Augen zu halten. 
James H. Mitchell, 1962.

Ich halte dafür, dass der einzige Zweck der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern.
BrechtLeben des Galilei, 1955 (Szene 14).

Als deutscher Geisteswissenschaftler etwas zu gelten ist schwer. Man muss nicht nur nichts zu sagen haben, man muss auch unfähig sein, es auszudrücken.
Unbekannter Spötter (frei nach Karl Kraus).


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