Didaktik der Chemie
Die Didaktik der Chemie agiert an der Schnittstelle zwischen Bildungswissenschaft, Chemie als Naturwissenschaft, schulbezogener Lehrpraxis, konzeptioneller Entwicklungsarbeit und empirischer Sozialforschung. Wir gehen den Erfahrungen und Stresskognitionen von Studienanfänger*innen der Fachwissenschaft Chemie nach, identifizieren Stolpersteine und nutzen diese als Impulsgeber zur Gestaltung bedarfsorientierter Lehr-Lernsettings. Im Fokus unserer konzeptionellen Arbeit steht das verständnisorientierte Lernen mit Simulationen in Chemiestudium und -unterricht. Darüber hinaus befassen wir uns mit der Professionalisierung von Chemielehramtsstudierenden hinsichtlich Digitalisierung und Inklusion durch projektbasierte Lehrinnovationen.
Angesichts zunehmend diverser Bildungsbiografien, steigender Hochschuleintrittsquoten und schrumpfender Schulabsolventenjahrgängen steht die fachbezogene Hochschuldidaktik vor der Herausforderung, universitäre Lehr-Lernprozesse an den Interessen, Bedarfen und Kompetenzprofilen der Studierenden einerseits und den Anforderungen und Eigenheiten der jeweiligen Fachkulturen andererseits auszurichten, um eine qualitativ und quantitativ hochwertige, universitäre Ausbildung sicherzustellen. Dabei kommt dem Studienstart als besonders anforderungsreiche und für den Studienerfolg bedeutsame Transitionsphase eine entscheidende Rolle zu. Darum spüren wir den studentischen Erfahrungen, Stresskognitionen und Lernprozessen zu Studienbeginn empirisch nach (qualitativ oder mixed-methods). Neben der Diagnose und Ursachenforschung bezüglich affektiver Stresskognitionen sind wir besonders an der Frage interessiert, inwieweit Studierende vor dem Hintergrund sehr heterogener Ausgangslagen ihr Lernen verständnisorientiert (meaningful) gestalten und welche Faktoren dies beeinflussen.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Nutzung mathematischer Werkzeuge im Selbststudium der Physikalischen Chemie, dem mathematisch anspruchsvollsten Kernfach: Hier kommt es vermehrt zur algorithmischen Anwendung von Rechenrezepten anstelle verständnisorientierter Lernprozesse. Wir analysieren das studentische selbstregulierte Lernen systematisch auf der Suche nach Auslösern für entsprechende Transformationsprozesse.
Darüber hinaus gestalten wir digital gestützte Übungen im Sinne des design-based research, in denen Studierende ihr Kompetenzprofil digital diagnostizieren und anschließend bedarfsorientiert durch individuelle Förderplanarbeit und Austausch in Präsenz an ihren Problemstellen arbeiten können. Während eine genaue Analyse der usability, situativer Affekte und initiierter Lernprozesse in Einzelfallstudien erfolgt, werden Nutzung, affektive Zugänge und Kompetenzentwicklung für eine größere Stichprobe erfasst.
Unser konzeptioneller Schwerpunkt liegt auf dem Lernen mit Simulationen. Dieser Ansatz fördert systems thinking, eröffnet Lernenden einen anschaulich-interaktiven Zugang zu abstrakten Repräsentationen, berührt den Gang der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung und lässt sich flexibel in Lernsettings in Präsenz und Distanz umsetzen.
Für die Studieneingangsphase wurde das Konzept BIRC entwickelt und evaluiert, welches als bedarfsorientiertes Instrument der individuellen Förderung im Fach Physikalische Chemie zum Einsatz kommt. Es unterstützt das selbstregulierte Nacharbeiten von Vorlesungen und hilft den Studierenden dabei, den Bezug zwischen abstrakten thermodynamischen bzw. kinetischen Konzepten einerseits und dem Verhalten statistischer Teilchenentitäten andererseits herzustellen.
Im Chemieunterricht der gymnasialen Oberstufe untersuchen wir, inwieweit sich eine Kombination aus Simulation und Schülerzeichnung im Chemieunterricht positiv auf die mentalen Modelle der Schüler:innen zu chemischen Phänomenen auswirkt. Dazu wurde das Lehrkonzept SIMMS per design-based research entwickelt, in Einzelfallstudien in Labor und Schule evaluiert, und eine größere Interventionsstudie an der Schule zum Vergleich der Wirksamkeiten durchgeführt.
Darüber hinaus interessiert uns, über welches Modellverständnis Schüler:innen und Chemielehramtsstudierende hinsichtlich Simulationen verfügen und inwieweit eine erhöhte Verwechslungsgefahr mit der Realität besteht.
Im Rahmen des BMBF-Projekts LFB-Labs-digital konzipieren wir projektbasierte Lehrkräftefortbildungen zum Lernen mit Simulationen, die das Schülerlabor teutolab-chemie als Ort der gemeinsamen Exploration und Erprobung chemiedidaktischer Konzeptionen nutzen. Dabei werden auch die Implementationsbarrieren von Konzepten zum Lernen mit Simulationen sowie die Gelingensbedingungen zugehöriger Lehrkräftefortbildungen untersucht.
Alle in unserer Arbeitsgruppe erarbeiteten oder eingesetzten Simulationen finden sich in dieser Simulationssammlung.
Ein jüngst erschlossenes Forschungsfeld stellt die projektbasierte Professionalisierung von Chemielehramtsstudierenden hinsichtlich Digitalität und Inklusion dar.
Die community of practice MINTconnect des Bielefelder Projekts BiLinked zur Digitalen Innovation in der Hochschullehre exploriert die digitale Unterstützungsformate des kollaborativen, studentischen Selbstlernens an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. In unserem Teilprojekt werden Lehramtsstudierende in der Schulpraxis begleitet, wobei sie durch die projektbasierte Gestaltung und Erprobung digitaler Lernsettings ihre Kompetenzen hinsichtlich digitaler Lehre ausschärfen. Dazu werden digitale open educational resources zur universitären Vermittlung der Grundlagen des Lernens mit Simulationen und der digitalen Präsentation konzipiert.
In Kooperation mit Chemiedidaktiker*innen und Sonderpädagog*innen der Universität Würzburg bieten wir seit Sommer 2019 eine projektbasierte Lehrveranstaltung zur Inklusion in der Chemiedidaktik an. Dort gestalten Studierende experimentelle Lernsettings mit haptischen Funktionsmodellen für den inklusiven Chemieunterricht und erproben diese mit Schüler*innengruppen. Seit Winter 2020 wird die studentische Kompetenzentwicklung und der Einfluss multiprofessioneller Studierendenteams auf die Entwicklung eines disziplinübergreifenden common grounds kooperativ erforscht.
Model-based (computer) simulations play a significant role in chemistry education, with students learning both with and about simulations. The latter provides learners with an access from the philosophy of science regarding simulations as instruments for knowledge acquisition, which warrants special attention due to their increasing importance in socio-scientific decision-making processes (Seoane et al., 2022). However, little is currently known about the philosophical concepts of pre-service chemistry teachers regarding model-based simulations (Develaki, 2019; Seoane et al., 2022). Furthermore, there are currently no suitable theoretical frameworks, assessment instruments or corresponding teaching concepts concerning a philosophical approach to model-based computer simulations available. Therefore, this work pursues three overarching objectives:
To achieve these objectives, first, content related to the epistemology and ontology of computer simulations was systematically processed and used to adapt a widely recognized theoretical structure of model competence (Upmeier zu Belzen & Krüger, 2010). This resulted in a theoretical framework for characterizing the understanding of simulations as models (MvS), which was supplemented with simulation-specific content (comparison with animations and experiments, the role of idealizations, abstractions, and fictions). Second, a seminar segment with h5p-based learning units for learning with and about simulations in the context of project-based learning was developed, in which students are specifically trained in the philosophical contexts of computer simulations. All units include parts with practical teaching applications. Third, master's students in chemistry education were qualitatively interviewed regarding their ideas about computer-based simulations. The data collection combined the creation of concept maps, accompanied by think-aloud protocols, with subsequent problem-centered interviews. The data was collected in a pre-post design over the developed intervention. The results indicate that the understanding of simulations as models is constructed in a mosaic-like manner, with students in pre-interviews mostly interpreting simulations as representations. Furthermore, specific types of contradictions in the students' ideas can be identified. In post-interviews, students tend to demonstrate more elaborate ideas and can reflect more confidently on the use of simulations as instruments for knowledge acquisition.
Understanding the energy concept continues to be of high relevance for future members of our society and concerning scientific teaching. Viewing energetics and kinetics through the lense of a chemical sub-microscopic level often leads to misconceptions and a lack of conceptual understanding of energy due to the absence of mental modeling skills of learners. The combination of drawing tasks and simulation-based learning seems to lead to an appropriate reconstruction of mental models on a sub-microscopic level through the cognitive activation and verification using particulate-level visualization. Specific simulation-based teaching concepts that consider and foster the development of mental models and the conceptual understanding of energetic and kinetic topics in chemistry lessons are not yet available in German-speaking countries. Consequently this study addresses this deficit following two main objectives:
1. The development of a simulation-based teaching concept to foster mental models on the particulate-level and understanding of the chemical energy concept.
2. The empirical analysis of the developed teaching concept with regard to the fostering of mental models and in terms of the influence of the drawing task.
In order to achieve the goals, firstly, a corresponding teaching concept (SIMMS, simulation-based instruction for mental modeling in school) that specifically combines drawing tasks with simulations in a digital learning activity has systematically and theory-based been developed in a design-based research approach. Secondly, the developed concept and simulation-based learning environment are explored in individual case studies with regard to the suitability for activating and strengthening mental models and understanding of the concept as well as for affective-motivational activation. Subsequently, in a comparative intervention study, the results and the influence of the drawing task is examined in larger samples. Following a mixed-method approach, data is collected and analyzed through think-aloud surveys, problem-centered interviews, questionnaires, and analyses of drawings and explanations. The results reveal students’ positive affective-motivational experience to SIMMS. Mental models are activated by the drawing task and strengthened to varying degrees depending on the simulation design. In addition, acceptable dynamic particle concepts and proper connections to the symbolic level are formed through the use of drawing tasks for conceptual understanding.
Lernen mit Simulationen – Chancen und Grenzen projektbasierter Implementation
seit 04/23 | Teil des BMBF-Projekts Schülerlabore als Ort der Lehrkräftefortbildung in der digitalen Welt, LFB-Labs-digital
Lernwerkstatt ChemiedidaktikDigital – projektbasiertes Lernen zu digitalen Kompetenzen im Chemielehramtsstudium
seit 10/21 | Teil des universitätsweiten Projekts Bi-Linked, Stiftung Innovation in der Hochschullehre
Nur bewegte Bildchen oder genuine Instrumente der Erkenntnisgewinnung? Analyse des Modellverständnisses bezüglich Simulationen von Lehramtsstudierenden der Chemie
seit 10/21