Jeder Naturwissenschaftler bekommt seine Daten aus Experimenten, doch auch Experimentieren will gelernt sein. Und genau dies, also die praktische Seite des (Bio)Chemie Studiums, verbirgt sich hinter dem Chemischen Praktikum. Bei diesen Praktika handelt es sich um universitätsinterne Veranstaltungen, welche in speziellen Laborräumen der Universität stattfinden, es hat also nichts mit einem betrieblichen Praktikum zu tun.
Es gibt sechs verschiedene Arten von Praktika im Bachelor-Studium, die sich bis auf eine Ausnahme (ALC), den Teildisziplinen der Chemie bei uns in Bielefeld zuordnen lassen:
Die Praktika der einzelnen Bereiche bauen aufeinander auf. Zunächst muss das ALC-Praktikum absolviert werden; das ist Voraussetzung für alle weiteren Praktika. Danach müssen die Basis-Praktika AC, PC und OC bestanden werden, bevor die entsprechenden Vertiefungs-Praktika in diesen Bereichen belegt werden können. Den Abschluss bilden die Spezialisierungs-Praktika, welche im Profil Experimentalchemie belegt werden müssen.
Das BC-Praktikum ist nur für die Biochemiker Pflicht, während die TC-Praktika nur für das Profil Theoretische Chemie Pflicht sind. Praktika die keine Pflicht-Veranstaltungen darstellen können im Allgemeinen in den strukturellen Ergänzungsbereich gewählt werden.
Für eine Übersicht, wer welche Praktika machen muss, stellt unsere Fakultät einen Netzplan zur Verfügung. Darin sind nach Auswahl des Studiengangs nicht nur die Praktika mit den für sie vorgesehenen Semestern übersichtlich dargestellt, sondern auch Links der Veranstaltungen ins ekVV zur direkten Buchung eingefügt.
Ein normaler Tag im Praktikum läuft etwa so ab:
Zunächst wird in einem Antestat durch den Laborassistent*innen überprüft, ob sich alle Studierenden entsprechend vorbereitet haben, d.h. die Details des Experiments kennen und mit den Sicherheitsbestimmungen vertraut sind. Viele Informationen diesbezüglich findet ihr im Versuchsskript, oft muss aber auch ein Lehrbuch und das Internet zu rate gezogen werden, damit man nicht vom Assistenten zur „Nachrecherche“ in die Bibliothek geschickt wird.
Hat man das Antestat überstanden, kann das Experiment losgehen. Zunächst muss man sich die Chemikalien organisieren und die Gerätschaften aufbauen, die für das Experiment nötig sind. Zum Glück stehen „Hiwis“ (kurz für Hilfswissenschaftler) - also Studenten aus höheren Semestern - mit Rat und Tat zur Seite. Die Assistent*innen kontrollieren die Arbeit und geben hin und wieder auch hilfreiche Tipps.
Abschließend muss noch Zuhause das Versuchsprotokoll angefertig werden, in welchem die Ergebnisse präsentiert werden. Dieses wird von dem/der Assistent*in korrigiert und wenn es den Anforderungen genügt auch abgezeichnet. Ist dies nicht der Fall, darf man sich am nächsten Praktikumstag über ein weiteres Protokoll zur Korrektur freuen.
Hier findet sich eine kleine Übersicht über die Praktika, die hier bei uns an der Fakultät so stattfinden. Für eine vollständige Auflistung sei hier noch einmal auf den Netzplan verwiesen. Daraus wird auch ersichtlich, ob ein Praktikum Pflicht in einem speziellen Studiengang ist.
Das erste Praktikum im Studium ist das Praktikum der allgemeinen Chemie. Es findet im ersten Semester statt und kann nach dem Bestehen der ALC-Klausur absolviert werden.
In diesem Praktikum werden Grundkenntnisse im Hinblick auf das Experimentieren im Labor erworben. Auf die durchzuführenden Versuche muss sich im Hinblick auf das sichere und korrekte Arbeiten während des Experimentes gründlich vorbereitet werden. Die Ergebnisse des jeweiligen Versuches sollten dem/der Assistent*in danach kurz dargelegt werden, um die korrekte Durchführung und das Verständnis des Versuches zu überprüfen.
Allgemein dient dieses Praktikum vor allem zum Erlernen des grundlegenden „Handwerkszeuges“, jedoch muss zu einem Versuch dieses Praktikums auch ein vollständiges Protokoll verfasst werden. Dies dient der Vorbereitung auf die spätere Laborarbeit, da dies in den meisten Praktika zu nahezu jedem Versuch üblich ist.
Das zweite Praktikum im Studium ist das AC-Basispraktikum. Es findet zweimal wöchentlich in der ersten Hälfte des 2. Semesters statt und muss von allen Chemie Studierenden besucht werden.
Im AC-Praktikum lernt man, was es heißt, im Labor zu arbeiten. Sicherheit und Sauberkeit im Experiment sind hier die Fähigkeiten, die es zu erlernen gilt. Aber natürlich wird auch nach Herzenslust experimentiert. Aber Vorsicht: Gute Vorbereitung ist hier das A und O, besonders wenn man mit gefährlichen Chemikalien arbeitet. Deshalb findet hier - wie in jedem folgenden Praktikum - vor der Durchführung des Versuchs auch ein Antestat, eine mündliche Überprüfung der ausreichenden Vorbereitung auf den Versuch durch den/die jeweilige/n Praktikumsbetreuer*in, statt. Und natürlich müssen die theoretischen Grundlagen des Experiments auch verstanden werden, schließlich muss ein detailliertes Laborjournal geführt und der Versuch korrekt ausgewertet werden. Protokolle müssen hier erst im Spezialisierungspraktikum angefertigt werden.
Den Abschluss des Praktikums bildet eine Substanzanalyse, welche erfolgreich absolviert werden muss, um das Praktikum endgültig zu bestehen - daran ist schon so mancher gescheitert. Als Belohnung findet zum Abschluss des Praktikums die traditionelle AC-Laborparty statt.
Im 4. Semester folgt das AC-Vertiefungspraktikum, welches nur noch von den Chemiestudierenden belegt werden muss. In der vorlesungsfreien Zeit des 5. Semesters findet dann das Spezialisierungs-Praktikum statt.
Das dritte Praktikum ist das PC-Basispraktikum, es findet einmal wöchentlich im Laufe des 2. Semesters statt. Im Gegensatz zur AC spielen hier Mathematik und Physik eine elementare Rolle.
Die Experimente selbst sind meist recht einfach durchzuführen, dafür haben es die Protokolle in sich. Hier gilt die Struktur: Antestat, Versuch, Protokoll, Abtestat. Wer sich hier auf das Antestat nicht vorbereitet hat, der hat wirklich ein Problem, denn die Theorie steht im Vordergrund und wird auch im Abtestat, sowie im Protokoll noch einmal abgeprüft. Ein PC-Protokoll erfordert eine detaillierte Auswertung mit Programmen wie Origin, was im Allgemeinen mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Versuche selbst. Zusätzlich werden Antestat, Protokoll und Abtestat benotet. Wer hier zu schlecht abschneidet muss beim Praktikumsleiter vorsprechen.
Im 4. Semester folgt das PC-Vertiefungspraktikum, welches ebenfalls Pflicht für alle Studierenden der (Bio)Chemie ist und die Theorie noch einmal vertieft. Im 5. Semester findet das PC-Spezialisierungspraktikum statt, das nur noch für die Chemiker Pflicht ist.
Das OC-Praktikum findet in der vorlesungsfreien Zeit des 2. Semesters statt. Hier wird drei Wochen am Stück experimentiert. Der Fokus liegt wieder eher auf dem praktischen Experimentieren. Zwar sind Antestat und Protokoll auch hier Pflicht - insbesondere die Vorbereitung auf die Gefahrstoffe - aber das Experiment steht im Vordergrund. Die Versuchsapparaturen müssen nach Anleitung selbst zusammengestellt und aufgebaut werden. Denn Techniken wie Umkristallisation, Vakuumdestillation und Extraktion wollen erlernt werden.
Die synthetisierten Substanzen werden mittels IR-Spektroskopie, Schmelzpunkt u.a. analysiert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man die Laboröffnungszeiten voll ausnutzen muss. Spätestens für dieses Praktikum ist es sinnvoll eine Glasbruchversicherung abzuschließen, denn viele der verwendeten Geräte sind teuer und bestehen aus Glas - eine recht heikle Kombination.
Die Protokolle, die natürlich auch hier angefertigt werden wollen, sind allerdings deutlich weniger aufwändig als die im PC-Praktikum. Zum Abschluss des Praktikums gibt es wieder eine Laborparty.
Das OC-Vertiefungspraktikum, welches ebenfalls Pflicht für alle Studierenden der (Bio)Chemie ist, findet für die Chemiker im 3. Semester und für Biochemiker im 5. Semester statt. In der vorlesungsfreien Zeit des 5. Semesters folgt dann das OC-Spezialisierungspraktikum.
Das erste BC-Praktikum findet im 4. Semester statt und ist selbstverständlich nur für die Biochemiestudierenden Pflicht. Hier geht es um das Erlernen biochemischer Grundlagen, wie z.B. der Bestimmung von Enzym-Aktivitäten, Protease-Inhibition oder der Gelelektrophorese.
Zusätzlich wird vor allem der Umgang mit geringen Probemengen, wie sie in der Biochemie üblich sind, erlernt und mit einer Reihe unterschiedlicher Geräte wie Zentrifugen, Ultraschall-Kammern oder Chromatographie-Systemen gearbeitet. Einige Experimente nehmen viel, andere weniger Zeit in Anspruch, die Protokolle sind weniger ausführlich als in PC nehmen aber mehr Zeit in Anspruch als in AC oder OC.
Das eigentliche Schema aus Antestat, Experiment und Abtestat findet sich natürlich auch hier wieder. Durch die bereits erworbene Erfahrung in AC, OC und PC ist das BC-Praktikum meist gut zu bewältigen und bietet so einen kleinen Einblick in den Arbeitsalltag eines Biochemikers.
Das Folgepraktikum findet in den Semesterferien des 4. Semesters statt. Dazu gehört auch ein Seminar, in welchem das Halten wissenschaftlicher Vorträge geübt wird. Als drittes Praktikum der BC gilt es die Gentechnik kennenzulernen. Hier soll selbstständig ein Gen in einem Organismus eingebracht und daraus ein funktionierendes Protein gewonnen werden.
Das Praktikum in der theoretischen Chemie stellt eine Sonderform des chemischen Praktikums dar, denn hier werden keine „Experimente“ im klassischen Sinne durchgeführt. Stattdessen werden die in den TC-Vorlesungen erworbenen theoretischen Grundlagen genutzt, um am Computer numerische Simulationen durchzuführen und unter anderem die Struktur einfacher chemischer Verbindungen zu berechnen.
Das TC-Praktikum baut auf den Vorlesungen TC I (Pflicht für alle Chemiker) und TC II (Pflicht im Profil theoretische Chemie, Wahlpflicht im Profil Experimentalchemie) auf. Die Teilnahme setzt ein gewisses Interesse und Verständis an den mathematischen Methoden der theoretischen Chemie voraus.
Das BioPC-Praktikum findet im Sommersemester statt. Es setzt sich aus sieben Versuchen zusammen, die jeweils 1-2 Tage dauern. Die Versuche werden von unterschiedlichen Assistent*innen betreut und die Termine nach Absprache zwischen den Studierenden und den Assistent*innen vergeben. Die Durchführung findet in Zweier-Gruppen statt.
In diesem Praktikum geht es darum verschiedene biophysikalische Methoden kennenzulernen. Zu den Methoden gehören unter anderem UV/Vis-Spektroskopie, FTIR-Spektroskopie, Photonenkorrelationsspektroskopie und der Langmuir-Trog. Untersucht werden vor allem Biopolymere, wie Lipide oder Proteine
Für Studierende des Profils „Struktur und Funktion von Makromolekülen“ ist dieses Praktikum verpflichtend und gehört zu dem 15 LP Modul Biophysikalische Chemie. Jeder Versuch beinhaltet die Abgabe eines Protokolls, sowie ein An- und Abtestat.
Das Phyikochemie-Praktikum baut auf den Bachelor-Praktika der Physikalischen Chemie auf und bildet die Grundlage für Forschungspraktika in der PC. Eingangsvoraussetzung ist das Spezialisierungspraktikum der PC (oder ein vergleichbares Praktikum) oder eine experimentelle Bachelorarbeit in der PC.
Die Versuche werden in Zweier-Gruppen in den Arbeitsgruppen durchgeführt, die Auswahl der Versuche und Zeitplanung ist allgemein etwas freier als in den Grundpraktika. Thematisch orientieren sich die Versuche an der Forschung in den Arbeitsgruppen und bieten die Möglichkeit diese besser kennenzulernen. Ein Austausch der Versuche passiert hier deutlich öfter als noch im Bachelor, wo die Ausbildungskomponente noch stärker im Fokus steht.
Gleich bleibt aber die Struktur aus Antestat, Versuch im Labor, Protokoll verfassen und Abtestat. Anders als im Bachelor ist dieses Praktikum aber keine Pflicht mehr. Wer also kein Interesse an diesem Praktikum hat, belegt es nicht.
Das Proteinkristallographie-Praktikum setzt das Hören der dazugehörigen Vorlesung und der Teilnahme an den Übungen im Wintersemester voraus. Es findet in der Regel in der vorlesungsfreien Zeit des Wintersemesters statt und besteht aus zwei Teilen: Nasslabor und Datenauswertung.
Im ersten Teil des Praktikums geht es um das Erlernen der Techniken zur Gewinnung von Proteinkristallen. Dazu gehören die Reinigung eines Proteins aus einem Zellpellet mittels Ionenaustauschchromatographie und Größenausschlusschromatographie, sowie die Überprüfung mithilfe von SDS-Gelen. Des Weiteren wird die Kristallisation zwei verschiedener Proteine unter unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt. Abschließend wird ein Diffraktionsexperiment durchgeführt, welches die Daten zur Strukturbestimmung liefert. Der Teil im Nasslabor wird in Zweier-Gruppen durchgeführt und dauert zwei Wochen. Von jeder Gruppe wird ein Protokoll zu diesem Teil angefertigt.
Im zweiten Teil werden die Methoden erlernt, die zur Bestimmung der Kristallstruktur notwendig sind. Dieser Teil findet in einer großen Gruppe an Computern statt, wobei jeder seine eigene Strukturbestimmung durchführt. Nach gemeinsamer Besprechung der Vorgehensweise zu den jeweiligen Schritten, soll die Arbeit mit den entsprechenden Programmen selbst durchgeführt werden, dazu gehören das Extrahieren der relevanten Informationen aus dem Beugungsbild, Phasenbestimmung über die Methode des Molekularen Ersatz und manuelles Aufbauen der Kristallstruktur in die vorgegebene Elektronendichte. Nach Beendigung des zweiten Teils wird von jedem Teilnehmer ein Protokoll eingereicht.
Dieses Praktikum ist in dem Profil „Struktur und Funktion von Makromolekülen“ verpflichtend, sodass Studierende, die dieses Profil belegen bevorzugt Plätze bekommen. Allerdings kann es auch im Wahlpflicht-Bereich der anderen Profile eingebracht werden.
Das Zellbiochemie-Praktikum findet regulär in der vorlesungsfreien Zeit des 2. Semesters statt. Da die Gruppe allerdings sehr klein ist, bieten einige Assistent*innen an, die Versuche an abgesprochenen Terminen während des Semesters durchzuführen. Im Praktikum geht es es um die Grundlagen der Arbeit mit Zellen, die Versuche sind entsprechend schon komplexer.
Zu den neuen Techniken im Praktikum gehören neben einer qPCR auch Immunfluoreszenzen, Fluoreszenzmikroskopie und Organellfraktionierung. Die Experimente in diesem Praktikum haben inzwischen mehr mit dem zu tun, was in einer Bachelorarbeit gemacht wird als mit normalen Praktikumsversuchen. Aber wer dieses Praktikum macht hat seine Bachelorarbeit ja auch schon hinter sich.
Das Zellbiochemie-Praktikum ist nur für die Studierenden des Profils „zelluläre Biochemie“ als Pflichtpraktikum zu belegen, das es in das Pflichtmodul „Immunologie“ dieses Profils fällt. Für die anderen Profile gehört es in den Wahlpflicht-Bereich 2.
Im Rahmen eines Forschungspraktikums habt Ihr die Möglichkeit ein kleines, in sich geschlossenes Projekt, eigenständig zu bearbeiten. Selbstständiges Arbeiten - Planung, Durchführung und Auswertung - ist eine Kernkompetenz, die in diesem Rahmen entspannt gefördert wird. Natürlich werdet Ihr dabei nicht ins kalte Wasser geworfen, sondern könnt die Mitarbeiter*innen der AG und ggf. eure/n Professor*in stets um Rat fragen.
Ein Forschungspraktikum ist die perfekte Möglichkeit entspannt einen kleinen, aber aufschlussreichen Einblick in die Arbeit verschiedener Fachbereiche zu bekommen. Dabei im Vordergrund kann z.B. das Erlernen neuer Methoden stehen. Auch die Spezialisierung in bestimmte Bereiche ist eine beliebte Möglichkeit.
Die von Euch gewählten Forschungspraktika helfen Euch darüber hinaus bei der Wahl der AG für Eure Masterarbeit und eine eventuelle Promotion. Scheut Euch daher nicht, in Bereiche hinein zu schnuppern, die Euch nicht sonderlich bekannt sind - genau dafür sind sie da und gedacht!