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Psychotherapie und Verbeamtung

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Psychotherapie und Verbeamtung

Informationen für Studierende, die eine Verbeamtung anstreben

Mit der Verbeamtung verpflichtet sich der Staat, Beamt*innen sowohl im aktiven Dienst als auch im späteren Ruhestand angemessen zu bezahlen. Für die Bezahlung werden Steuergelder verwendet, die verantwortungsvoll eingesetzt werden sollen.

Deshalb prüft der Staat im Vorfeld, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der / die Beamtenanwärter*in bis zur Pensionierung voll einsatzfähig ist. Eine vorgezogene Dienstunfähigkeit soll aus Kostengründen vermieden werden.

Idealerweise arbeiten die Beamt*innen bis zur Pensionierung und werden nicht vorher dienstuntauglich. Deshalb gibt es die amtsärztliche Untersuchung, bei der eine Prognose sowohl über die körperliche als auch die psychische Gesundheit gestellt wird:

  • Ist aus gesundheitlichen Gründen eine frühzeitige Dienstunfähigkeit oder vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zu erwarten?
  • Sind aufgrund chronischer Erkrankung regelmäßige, erhebliche Ausfallzeiten zu erwarten?  

Die formale Entscheidung über die Verbeamtung trifft der Arbeitgeber. In der Regel orientiert er sich dabei aber am amtsärztlichen Gutachten.

Quellen:

Im Jahr 2013 gab es mehrere relevante Urteile des Bundesverwaltungsgerichts.

Auszug: „Beamtenbewerber, deren Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, sind gesundheitlich als Beamte nicht geeignet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass eine vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist. Die gesundheitliche Eignungsprognose ist aufgrund einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu stellen. Dem Dienstherrn steht diesbezüglich kein Beurteilungsspielraum zu.

Beamtenanwärter*innen dürfen demnach nur noch abgelehnt werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50%) eine vorzeitige Dienstunfähigkeit eintreten wird.

Die Beweislast liegt dabei beim Arbeitgeber und nicht mehr (wie früher) bei dem / der Bewerber*in.

Der/die Ärzt*in muss in den Fällen, in denen sie an der gesundheitlichen Eignung zweifelt, fundierte medizinische Nachweise zusammentragen, die gerichtlich voll überprüfbar ist.

Dabei muss die individuelle Dienstfähigkeit des / der Bewerber*in für einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten in die Zukunft hinein eingeschätzt werden: vom Berufseintritt bis zur Altersgrenze für den regulären Ruhestand. Eine allgemeine Prognose mit Bezug zur Diagnose (z.B. pauschal „keine Verbeamtung wegen Depression“) reicht dabei nicht aus.

Diese Rechtsprechung bringt Anwärter*innen in eine eher günstige Position, denn eine so weitreichende und individuelle Prognose kann nur sehr schwer gestellt werden, ohne rechtlich anfechtbar zu sein.

Quellen:

Amtsärztliche Untersuchung

Der genaue Ablauf der amtsärztlichen Untersuchung variiert. In der Regel dauert sie ca. eine Stunde und läuft in zwei Schritten ab:

1. Fragebogen ausfüllen und besprechen

Der Fragebogen ist ähnlich wie Fragebögen bei der Neuaufnahme als Patient*in bei einem herkömmlichen Arzt. Er gibt einen Überblick über die persönliche Krankheitsgeschichte und den gesundheitlichen Zustand, z.B.

  • Akute Beschwerden
  • Persönliche Krankheitsgeschichte (Krankenhausaufenthalte, vergangene Operationen usw.),
  • Medikamenteneinnahme
  • Drogenkonsum (Nikotin, Alkohol usw.),
  • Sportliche Aktivitäten

Beispiele für amtsärztliche Fragebögen:

Kreis Gütersloh: Info-Seite / Fragebogen 
Stadt Köln: Info-Seite / Fragebogen
Stadt Bremen:  Info-Seite / Fragebogen
Land Baden-Württemberg: Info-Seite / Fragebogen

Im Anschluss werden die Antworten persönlich mit dem / der Amtsärzt*in besprochen. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Frage, ob die Dienstfähigkeit langfristig oder in wiederkehrenden Zeitabständen einschränkt sein könnte.

2. Körperliche Untersuchung und Aufklärung

Wurde der Fragebogen besprochen, folgt die körperliche Untersuchung durch den / die Amtsärzt*in.  

Die Ganzkörperuntersuchung beinhaltet u.a. Abhören und Abklopfen verschiedener Körperregionen, Blick in den Mund und Rachen, Testen von Reflexen sowie Prüfung von Koordination und Gleichgewichtssinn.

Außerdem können verschiedene Tests durchgeführt werden wie Blut- und Urintest, Seh- und Hörtest, Puls- und Blutdruckmessung, Berechnung des BMI durch Messung von Größe und Gewicht, Lungenfunktionstest und Ruhe-EKG.

Nach der Untersuchung teilt der / die Amtsärzt*in dem Arbeitgeber mit, ob die Anwärter*in „geeignet“, „nicht geeignet“ oder „unter bestimmten Voraussetzungen geeignet“ ist und ob Risikofaktoren festgestellt wurden, die die Dienstfähigkeit beeinträchtigen könnten.

Die Entscheidung über die Einstellung bzw. Verbeamtung trifft dann der Arbeitgeber, nicht der /die Ärzt*in.

Einzelne detaillierte Befunde unterliegen der Schweigepflicht des Arztes und werden nicht übermittelt. Nur dann, wenn der Arbeitgeber zur Entscheidungsfindung weitere Erklärungen des / der Ärzt*in benötigt, dürfen relevanten Informationen weitergegeben werden.

Im Rahmen der amtsärztlichen Eignungsuntersuchung soll eine individuelle Einschätzung der in Zukunft zu erwartenden Auswirkungen vorliegender Erkrankungen auf die persönliche Leistungsfähigkeit getroffen werden. Dies ist nur möglich bei einer sehr differenzierten Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls.

Allein die Tatsache, dass psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen wurde, sagt dabei noch nichts aus über Art und Schwere der zugrunde liegenden Beschwerden.

Wichtig sind immer weitere Parameter, wie etwa: Was genau war Anlass für die Behandlung? Welche Art von Behandlung war genau nötig? Über welchen Zeitraum hat sie sich erstreckt? Was konnte in der Behandlung bearbeitet werden? Mit welchem Erfolg? Wie lange liegt die Behandlung schon zurück?

Liegt eine psychische Erkrankung vor, ist auch hier nicht allein die gestellte Diagnose ausschlaggebend. Darüber hinaus wird eine Vielzahl weiterer Faktoren berücksichtigt wie etwa die individuelle Vorgeschichte, die Fähigkeit zum erfolgreichen Krisenmanagement, aktive Bewältigungsstrategien und das Vorliegen weiterer günstiger und ungünstiger Prognosefaktoren.

Eine Psychotherapie kann dabei im Einzelfall sogar gerade zugunsten einer positiven Prognose sprechen, da der/die Betroffene im Hinblick auf zukünftige Krisen konstruktive Bewältigungsstrategien erlernt hat.

Quelle:

Leitfaden „Psychische Erkrankungen und Verbeamtung“ der Law Clinic Münster / Studentische Rechtsberatung e.V. (Lisa Franke / Prof. Dr. Jörg Arnold / Dr. med. Dr. phil. Martin Dornberg, 2025)

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