Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und der Fachbereich Gesundheit und Wirtschaft der Fachhochschule Bielefeld starteten eine gemeinsame Forschungskooperation, die zugleich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses dient. Der vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW geförderte Forschungsverbund zielt auf den sozio-demografischen und epidemiologischen Wandel, der das gesamte Gesundheitswesen vor große Herausforderungen stellt − auch die Pflege. Herausforderungen zeigen sich hier u. a. im Bereich der Prävention von und bei Pflegebedürftigkeit, in den unterschiedlichen Bereichen der pflegerischen Versorgung und bei unterschiedlichen Nutzergruppen, sowie in der seit langem beklagten mangelnden Patienten- und Nutzerorientierung. Mit dem Forschungsverbund soll ein Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen geleistet werden. Er konzentriert sich auf zwei Themenschwerpunkte:
Prof. Dr. Doris Schaeffer, Prof. Dr. Kerstin Hämel
Prof. Dr. Annette Nauerth
Universität Bielefeld: Prof. Dr. Kerstin Hämel
Fachhochschule Bielefeld: Elke Rosowski, Dr. Renate von der Heyden
In diesem Projekt ist eine differenzierte Betrachtung des Pflegebedarfs mit raumzeitlicher und kleinräumiger Perspektive in NRW mit Hilfe der Daten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) geplant. Dabei wird auf vorliegende deskriptive Betrachtungen aufgebaut. Nach entsprechender Aufbereitung der Daten sollen kleinräumige Analysen durchgeführt und für Krankheitsgruppen differenziert (Populationsebene) werden. Zusätzlich werden diese Analysen im Projekt A1.1 mit der unterschiedlichen Versorgungspraxis (z. B. ambulant versus stationär) auf Grundlage von Informationen über die regionalen Pflegeversorgungssysteme kontrastiert (Systemebene). Im Projekt A1.2 wiederum wird die größte Nutzerinnengruppe der pflegerischen Versorgung - die der Frauen - in NRW-Großstädten genauer betrachtet.
In diesem Projekt sollen die vorhandenen Strukturen und Angebote der pflegerischen Versorgung in benachteiligten Regionen erfasst (Projekt A2.1) und mit dem Versorgungsbedarf und -bedürfnissen aus der Nutzerperspektive kontrastiert werden (Projekt A2.2). Ziel ist es, auf diese Weise Unter-, Über- und Fehlversorgung, aber auch bestehende pflegerische Versorgungslücken zu identifizieren. Im Mittelpunkt stehen dabei benachteiligte Regionen (strukturschwache ländliche Räume und deprivierte Stadtteile in städtischen Zentren). Die Ergebnisse sollen Hinweise für die Weiterentwicklung der Versorgung geben. Dies betrifft die Mobilisierung informeller Ressourcen und die Bereitstellung bedarfsgerechter pflegerischer Versorgungsangebote sowie den Aufbau geeigneter Informations- und Beratungsstrukturen.
Im Zentrum steht die subjektive Perspektive chronisch psychisch kranker Jugendlicher auf ihre Lebensbewältigung. Das Jugendalter gilt als Lebensphase, in der die Lösung vom Elternhaus, die Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen und der Einstieg in die Berufstätigkeit wichtige Entwicklungsaufgaben darstellen. Für Jugendliche mit chronisch psychischen Störungen kann die Bearbeitung dieser Entwicklungsaufgaben erschwert sein. Projekt B1.1 fokussiert in diesem Zusammenhang Bewältigungsstrategien des Lebensalltags in verschiedenen Phasen des Jugendalters. Projekts B1.2 blickt speziell auf die Bewältigung des Übergangs Schule / Beruf. In beiden Projekten werden die spezifischen Unterstützungsbedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe erhoben und analysiert. Zudem wird jeweils das Anwendungspotential von Selbstmanagementförderung als bedürfnisorientiertem Versorgungsansatz für die Zielgruppe diskutiert.
Die Pflege von Menschen mit psychischen Erkrankungen stellt auch an Angehörige zahlreiche Anforderungen. Bedingt durch Zugangsbarrieren und individuelle Präferenzen nehmen Angehörige gerade dieser Patientengruppen professionelle Unterstützungs- und Entlastungsangebote oft nicht oder wenig in Anspruch. Auf sich selbst verwiesen, sind sie daher erheblichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Die Ursachen hierfür sind bislang weitgehend unbekannt. Zwar hat das Thema pflegende Angehörige in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit in der Pflegeforschung gefunden, doch sind davon bislang bestimmte Gruppen ausgenommen, so vor allem Angehörige mit Migrationshintergrund und Angehörige von psychisch Erkrankten. Ziel beider Projekte dieses Themenschwerpunkts ist es, den Unterstützungsbedarf und die -bedürfnisse dieser beiden Gruppen zu erheben und pflegerische Interventionskonzepte zur Förderung ihrer Selbstmanagementkompetenz zu entwickeln.
Das Projekt zielt auf ältere Menschen, die potenziell von Pflegebedürftigkeit bedroht sind. Dazu gehören ältere Menschen in den späteren Phasen chronischer Krankheit und/oder mit Funktionseinschränkungen und Behinderung. Sie in ihrer Gesundheits- und Nutzerkompetenz zu stärken und ihre gesundheitliche Situation zu stabilisieren, um auf diese Weise Verschlechterungen zu vermeiden und Pflegebedürftigkeit zu verhindern, zumindest aber zu verzögern und Teilhabe zu erhalten, sollte Ziel einer nutzerorientierten pflegerischen Versorgung sein. Die erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen zu erarbeiten, um solche Konzepte zu entwickeln, die durch Stärkung der Gesundheits- und Nutzerkompetenz zur Prävention von Pflegebedürftigkeit beitragen, ist Ziel beider Projekte, die sich unterschiedlichen Adressatengruppen widmen. Dazu erfolgt zunächst eine Untersuchung des Gesundheitswissens/Health Literacy mittels einer quantitativen Erhebung, die durch qualitative Interviews ergänzt wird, auf deren Basis bedarfs- und zielgruppengerechte Konzepte zur Prävention von Pflegebedürftigkeit durch Stärkung der Gesundheits- und Nutzerkompetenz entwickelt werden.