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  • Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZG)

    © Universität Bielefeld

Forschungsprojekt:

Expertise für die Erstellung eines Themenheftes der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zum Thema „Gesundheitliche Folgen von Gewalt“ im Auftrag des Robert Koch-Instituts

Die gesundheitlichen Folgen von Gewalt, insbesondere von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder, sind in den letzten Jahren auch in der bundesdeutschen Politik, Forschung und medizinischen wie psychosozialen Praxis zunehmend thematisiert worden. Häusliche Gewalt gilt weltweit als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder.

Schätzungen gehen davon aus, dass bundesweit etwa jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens geschlechtsbezogene Gewalt mit Folgen für ihre Gesundheit erfahren hat. Für Kinder ist allein das Miterleben von Gewalt im häuslichen Umfeld – unabhängig von der persönlichen Gefährdung – vielfach bestimmend für ihre weitere Entwicklung; die negativen gesundheitlichen Folgen von Kindesmisshandlung, sexuellem Missbrauch und Vernachlässigung sind evident.

Die Relevanz der Problematik für den Gesundheitssektor ergibt sich zunächst aus der hohen Verbreitung von Gewalt und deren gesundheitlichen Folgen. So hat nach der ersten bundesdeutschen Repräsentativuntersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland etwa jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren sexuelle oder körperliche Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlebt; 64 % der Betroffenen trugen Verletzungsfolgen aus gewaltsamen Handlungen durch Partner davon (Müller & Schröttle 2004). Insgesamt jede fünfte in Deutschland lebende Frau hat in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal Verletzungsfolgen durch häusliche oder außerhäusliche Gewalt in unterschiedlichen Schweregraden erlebt.

Über die direkten Verletzungsfolgen hinaus sind die kurz- und langfristigen psychosomatischen und psychischen Gesundheitsfolgen von Gewalt im sozialen Nahraum von besonderer Bedeutung. So hat sich in vielen nationalen und internationalen Studien gezeigt, dass Frauen (und Männer), die im Erwachsenenleben und/oder in der Kindheit von Gewalt betroffen waren, signifikant häufiger als andere unter physischen und psychischen Beschwerden litten, etwa unter Schmerzsyndromen, gastrointestinalen Beschwerden, gynäkologischen Beschwerden, Depressionen, Stresssymptomen, Angststörungen, Essstörungen und Suizidalität. Darüber hinaus wurden in erhöhtem Maße gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen wie Alkohol-, Tabak-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch sowie Beeinträchtigungen in der reproduktiven Gesundheit, in den sozialen und familiären Bezügen und in der Leistungs-, Konzentrations- und Arbeitsfähigkeit nachgewiesen.

Entsprechende Zusammenhänge wurden bislang schwerpunktmäßig in Bezug auf von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder untersucht; neuere Untersuchungen, die auch Männer einbeziehen, sowie Untersuchungen zu psychischer Gewalt/Mobbing in Schule und Arbeitswelt deuten darauf hin, dass psychische und physische Gewalt auch für männliche Jugendliche und Erwachsene gesundheitsbeeinträchtigend sein können.

Aufgrund der hohen quantitativen und qualitativen Bedeutung unterschiedlicher Formen von Gewalt für die Gesundheit von Frauen, Männern und Kindern stellt ein differenziertes Wissen über Gesundheitsfolgen von Gewalt einen unverzichtbaren Bestandteil medizinischer Diagnostik und Anamnese dar. Bisherige Analysen verweisen hier auf einen noch unzureichenden Kenntnisstand im gesamten System der medizinischen Versorgung, der infolge des Nichterkennens von Gewalt als Ursache gesundheitlicher Probleme zur Über-, Unter- und Fehlversorgung beitragen kann. Eine verbesserte Kenntnis über Ausmaße und Symptomatiken sowie über besonders stark von Gewalt betroffene Bevölkerungsgruppen kann helfen, Gewalt als Ursache von Gesundheitsproblemen frühzeitig zu erkennen und in die medizinische Versorgung und Beratung einzubeziehen. Auch vor dem Hintergrund, dass in den Institutionen des Gesundheitswesens Gewalt am häufigsten und als erstes institutionell sichtbar und bekannt wird, hat der Gesundheitssektor für die Prävention und frühzeitige Intervention bei Gewalt sowie die adäquate Unterstützung von Gewaltopfern eine besondere Bedeutung. Eine Vermittlung von Informationen, praktischen Kenntnissen und Best-Practise-Ansätzen im Umgang mit Gewaltbetroffenen in der medizinischen Versorgung ist deshalb unverzichtbar.

Die Publikation zu gesundheitlichen Folgen von Gewalt im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes fokussiert zweierlei Aspekte: Zum einen werden wissenschaftliche Erkenntnisse über gesundheitliche Folgen von Gewalt aus der nationalen und internationalen Gesundheits- und Gewaltforschung zusammengetragen und über Ausmaße, Erscheinungsformen und gesundheitliche Folgen sowie Folgekosten differenziert informiert. Zum anderen werden Erkenntnisse, angereichert mit weiterführenden Adressen und Links zu entsprechenden Informationsquellen, zur aktuellen Versorgungssituation und zu Best-Practise-Modellen im Umgang mit und der Versorgung von Menschen, die von Gewalt betroffen sind, vermittelt.

Laufzeit: 04.2007 – 09.2007

Finanzierung: Robert-Koch-Institut (RKI)

Beteiligte Wissenschaftlerinnen: Prof. Dr. Claudia Hornberg, Dr. Monika Schröttle, Nadia Khelaifat, Andrea Pauli (Universität Bielefeld, IFF & Fak. für Gesundheitswissenschaften); Sabine Bohne (Universität Osnabrück, Fak. für Erziehungswissenschaften)

Veröffentlichung: Hornberg, Claudia; Schröttle, Monika; Bohne, Sabine; Khelaifat, Nadia & Pauli, Andrea unter Mitarbeit von Kerstin Horch (2008): Gesundheitliche Folgen von Gewalt unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 42. Berlin: Robert-Koch-Institut (Hrsg.)
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