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    Logo des Graduiertenkolleg Geschlecht als Erfahrung
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Forschungsprogramm

Die zentrale Idee des GRK ist es, eine verkörperte Geschlechterforschung jenseits der Disziplinen zu etablieren. Geschlechterforschung als verkörpert zu verstehen, bedeutet, (wieder) stärker in den Blick zu nehmen, dass Menschen körperlich verfasste, lebendige Wesen sind.

Mit dem Fokus auf die materiale und phänomenale Dimension von Geschlecht will das GRK einen neuen Zugang zu Geschlecht und Geschlechterverhältnissen etablieren sowie ein neues empirisches Forschungsfeld aufspannen. Das wissenschaftliche Alleinstellungsmerkmal dieses Forschungsprogramms liegt insbesondere darin, starre Entgegensetzungen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Forschungslandschaft der Geschlechterforschung und vor allem auch in deren Rezeption herausgebildet haben, aufzulösen und im Zuge dieser Auflösung neue, produktive Verknüpfungsperspektiven zu erschließen. Dies gelingt, indem Körper und Leiblichkeit in den Diskurs dekonstruktiver Ansätze eingeführt und zugleich von den Limitationen essentialistischer Verständnisse befreit werden.

Im Anschluss an bestehende Ansätze der Geschlechterforschung verstehen wir Geschlecht als nicht stillzustellenden Prozess und als unentrinnbare, historisch je spezifische Anforderung. Das GRK wird jedoch – über entsprechende deskonstruktivistische Ansätze hinausgehend – nicht nur die Herstellung von Erfahrung durch Sprache und latente soziale und diskursive Strukturen analysieren, sondern in Anknüpfung an phänomenologische Ansätze die vieldimensionale Verfasstheit gelebter Erfahrung. Von Interesse sind aus dieser Perspektive sowohl die Strukturgebundenheit vergeschlechtlichter Existenzweisen als auch der Eigensinn subjektiven Erlebens. Wenn wir den lebendigen Körper als fortlaufenden unabgeschlossenen Prozess verstehen, der in seiner Eigensinnigkeit ein emanzipatives Potential in sich trägt, so eine zentrale Prämisse des GRK, dann kommen verstärkt Transformationen von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen in den Blick.

Das GRK erachtet die Frage nach der körperlichen und leiblichen Erfahrbarkeit von Geschlecht keineswegs als eine Frage bestimmter, darauf spezialisierter Wissenschaften. Diese Thematik setzt im Gegenteil einen Dialog zwischen Disziplinen voraus, da der Raum der Erfahrungen nur so in seiner Komplexität erfasst werden kann. Im geplanten GRK kooperieren Disziplinen, die mit international renommierten Wissenschaftler*innen an der Universität Bielefeld seit vielen Jahren im Kontext bestehender Strukturen (v.a. Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung, IZG) Geschlechterforschung betreiben. American Studies, Germanistische Literaturwissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie und Sportwissenschaft fokussieren im GRK anhand fachspezifischer empirischer Materialien und Daten verschiedene Aspekte der körperlichen und leiblichen Erfahrbarkeit von Geschlecht. Die beteiligten Wissenschaftler*innen sind hierfür besonders qualifiziert, weil sie über je spezifische Expertise zu den unterschiedlichen Dimensionen von Körper und Leiblichkeit und eigenerlebter Erfahrung verfügen (Alter, Ethnizität, Gesundheit, Religion, Sexualität, Sport usw.); auf diese Weise ergänzen sie sich gegenseitig sowohl in den Gegenstandsfeldern als auch in den theoretischen Perspektiven.

Das Forschungsprogramm des GRK ist in zwei Bereiche unterteilt: Die körperlich-leibliche Konstitution gesellschaftlicher Existenzweisen (Forschungssäule I) und die dadurch immer zugleich auch ermöglichte Transformation der Geschlechterordnung (Forschungssäule II).

In Zeiten rechtspopulistischer gesellschaftlicher Entwicklungen, die mit einer Infragestellung von emanzipatorischen Errungenschaften und Gleichheitsrechten sowie einer Retraditionalisierung von Geschlechter- und Familiennormen einhergehen, hat das hier beantragte GRK hohe gesellschaftspolitische Relevanz. Gerade weil Geschlecht in populistischen Diskursen als „Affektbrücke“ (Gabriele Dietze) dient, ist der Fokus auf das Erleben von Geschlecht von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ist der Transfer von wissenschaftlichem Wissen in das Wissen der Alltagsakteur*innen und von Organisationen aufgrund der Beschäftigung mit sozialen Erfahrungen und aufgrund der engen Verknüpfung von Theorie und Empirie systematisch im GRK angelegt.


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