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  • D01

    Das Vergleichen im ethno­graphischen Denken der Antike – Die römische Zeit bis in die Spätantike

    Römisches Münzenpaar aus der Zeit des Kaisers Trajan
    © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0 (https://www.britishmuseum.org/)

D01 (B04) | Das Vergleichen im ethno­graphischen Denken der Antike – Die römische Zeit bis in die Spätantike

Profil

Die zweite Phase wird die für die griechische Ethnographie erarbeiteten Perspektiven zur Entwicklung und Funktion des Vergleichens auf Akteure innerhalb des Römischen Reiches vom 1. Jahrhundert n. Chr. bis in die christliche Spätantike und die byzantinische Zeit (7. Jahrhundert n. Chr.) ausdehnen und weiterentwickeln. Sie fragt danach, inwieweit sich mit der Etablierung und dann (in der Spätantike) mit der machtpolitischen Reduzierung des Imperium Romanum sowie der Formierung neuer communities of practice (römische Militärs, christliche Schriftsteller sowie Funktionäre und ihr jeweiliges Publikum) auch ethnographische Vergleichspraktiken auf der Mikro- und Mesoebene änderten und ob diese Veränderungen ihrerseits nicht nur auf historischen Wandel reagierten, sondern diesen auch beeinflusst haben. Im Zentrum stehen die Prosa-Texte römischer Historiker sowie christlicher Autoren (Kirchengeschichte, Heiligenviten), denen die bedeutendsten frühbyzantinischen Geschichtsschreiber vergleichend gegenübergestellt werden.Erfahrungsgemäß lässt sich an historiographischen Werken der auch für die Fragestellung des Teilprojektes so wichtige Dreiklang von Publikumserwartungen, intellektuell-gesellschaftlichen Milieus und der Erklärung neuer ethnographischer Vergleichspraktiken ertragreicher rekonstruieren als etwa im Bereich der politischen Rhetorik, der kaiserzeitlichen Romane oder der Dichtung. Schließlich steht mit der Historiographie ein Genre zur Verfügung, das die Epochen von der frühen Kaiserzeit bis in die frühbyzantinische Zeit überspannt; dies erlaubt es nicht nur, längerfristige Konjunkturen des Vergleichens im Verhältnis zu den politisch-militärischen Veränderungen zu bestimmen, sondern auch den Verfestigungen von Vergleichspraktiken auf der Mesoebene nachzuspüren, die zum Teil bis in die Neuzeit hinein weiterwirkten.

Projektleitung

© Philipp Ottendörfer

Raimund Schulz

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

© Philipp Ottendörfer

Marthe Becker

© Philipp Ottendörfer

Malte Speich

B04 | Fremdes beschreiben, um Welt zu bewältigen

Der Vergleich im ethnographischen Denken der Antike – Die Griechen (7.v. – 1. Jahrhundert n. Chr.)

Die Griechen waren in der Antike ständig unterwegs: als Kolonisten, Händler, Piraten, Ärzte, Forscher und Soldaten: Sie trafen dabei auf fremde Völker und neue Kulturen, die ihnen zum Teil ähnelten, wie die Phöniker, Etrusker und Römer, sich aber auch in vielerlei Hinsicht von ihnen deutlich unterschieden: wie die Nomaden und Halbnomaden Nordafrikas, Arabiens und Asiens oder im Laufe der Antike die indischen Rajas oder gar die Menschen des fernen chinesischen Reiches. All dies führte dazu, dass die Griechen schon sehr früh ein spezifisch ethnographisches Denken entwickelten, das von Homer über die Geschichtsschreibung im 5. Jahrhundert v. Chr. bis hin zu den großen geographischen Länderbeschreibungen die Literatur immer wieder prägte. Dabei bildete der Vergleich eine wichtige Praxis, um das Fremde zu verstehen, es mit dem Bekannten in Beziehung zu setzen und so ein neues Verständnis der sich wandelnden Welt zu ermöglichen.

Das Teilprojekt setzt sich zum Ziel, die Praktiken dieser Vergleiche zu rekonstruieren und zu verstehen, angefangen von der Sammlung der empirischen Daten über die Verarbeitung in unterschiedliche literarische Genera bis hin zur Anwendung der Texte in der Politik und gelehrten Auseinandersetzung. Eine zentrale These des TP ist, dass die Intensität ethnographischer Vergleichspraktiken zunahm, wenn größere politische oder militärische Umwälzungen, wie die Perserkriege, der Alexanderzug oder die Eroberungen der Römer die vertraute Weltordnung durcheinanderwirbelten und den geographisch-ethnographischen Horizont entscheidend ausdehnten. Das ethnographische Vergleichen wurde nun zu einem wichtigen Mittel, neue Orientierung und Ordnung herzustellen. Auf diese Weise bildete der Vergleich sowohl Reaktion auf Veränderung als auch Impuls von Veränderung: Er war ein wichtiger Indikator globaler Veränderungen.

Während der Teilprojektleiter die grundlegenden Strukturen von Vergleichsmustern im ethnographischen Denken von Homer bis einschließlich Herodot in mehreren Publikationen erarbeitet hat und nun dabei ist, sie in den historischen und intellektuellen Kontext der Zeit einzuordnen, untersuchen Marie Lemser und Julian Gieseke die Nachfolger Herodots hinsichtlich ihrer Vergleichspraktiken. In der Zeit vom Ende des 4. Jh. bis zur Mitte des 2. Jh. v. Chr. betrieben griechische Autoren Ethnographie unter den Eindrücken des Alexanderzuges und der Etablierung der hellenistischen Nachfolgereiche. Marie Lemser liest die Werke von Autoren wie Megasthenes, Agatharchides von Knidos und Hekataios von Abdera und analysiert ihre Praktiken des Vergleichens. Momentan beschäftigt sie sich vor allem mit der Sekundärliteratur zu Agatharchides von Knidos und seiner Lebenswelt am Hof der Ptolemäer in Alexandria. Die Zeit von der Mitte des 2. Jh. v. Chr. bis in das frühe 1. Jh. n. Chr. wird schließlich von Julian Gieseke beleuchtet, der sich mit griechischer Ethnographie im Rahmen des römischen Imperialismus auseinandersetzt. Dies sind vor allem Polybios, der Historiker von Roms Aufstieg zur mediterranen Vormacht, der stoische Universalgelehrte Poseidonios und der Historiker und Geograph Strabon. Derzeit arbeitet Julian Gieseke mit den Historien des Poseidonios, die er auf die Vergleichspraktiken der Ethnographie hin untersucht und mit Hilfe der gesichteten Sekundärliteratur in den Kontext der römischen Expansion einordnet.

Projektleitung

Raimund Schulz

PEVZ

 

 

 

 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Marie Lemser

Julian Gieseke


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