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Dissertationsprojekt: Mind and Function – Teleosemantics Beyond Selected Effects
Intentionale mentale Zustände wie Wahrnehmungszustände, Überzeugungen und Wünsche sind mentale Repräsentationen, die sich durch ihren Gehalt (bzw. ihre Bedeutung) auszeichnen. Man nimmt immer wahr, glaubt oder wünscht, dass etwas bestimmtes der Fall ist. Das, was man wahrnimmt, glaubt oder wünscht, ist der mentale Gehalt der Wahrnehmung, der Überzeugung oder des Wunsches. In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit der metasemantischen Frage, aufgrund welcher Tatsachen, mentale Repräsentationen ihren Gehalt haben.
Eine Antwort auf diese Frage darf, wie im zweiten Kapitel zeige, ausschließlich auf natürliche Tatsachen Bezug nehmen; also auf solche, die letztlich auf physikalische Tatsachen zurückgeführt werden können. Der Hauptgrund für diese Einschränkung liegt darin begründet, dass die gegenteilige Annahme, der Gehalt mentaler Repräsentationen beruhe nicht ausschließlich auf natürlichen Tatsachen, unter plausiblen Zusatzannahmen die Konsequenz in sich birgt, dass auch ihr Einfluss auf die natürliche Welt bestritten werden muss. Dies steht in deutlichem Kontrast zum im Alltag und den empirischen Wissenschaften vorherrschenden Verständnis mentaler Zustände, dem zufolge unsere Handlungen darauf beruhen, was wir wahrnehmen, glauben und wünschen. Zum anderen lässt sich mit Hilfe evolutionstheoretischer Überlegungen zeigen, dass die Annahme, mentale Gehalte hätten keine Wirkungen auf die natürliche Welt, inkompatibel mit unserem Wissen von diesen Gehalten ist.
In Kapitel drei arbeite ich Gemeinsamkeiten und Vorzüge teleosemantischer Theorien heraus. Diese nehmen in ihrer metasemantischen Erklärung mentalen Gehalts Bezug auf biologische Funktionen und die mit diesen Funktionen verbundenen Normen. Genau wie das Herz die biologische Funktion hat, Blut zu pumpen, und somit in gewissem Sinne Blut pumpen soll, soll auch ein Wahrnehmungszustand, der repräsentiert, dass sich vor dem wahrnehmenden Lebewesen ein Fressfeind befindet, dann aktiviert werden, wenn sich vor diesem Lebewesen ein Fressfeind befindet. Ebenso soll der Wunsch eines Tieres nach Nahrung dafür sorgen, dass dieses Tier Nahrung zu sich nimmt. Teleosemantische Theorien können also, wenn die Bezug auf einen naturalistischen Funktionsbegriff nehmen, eine elegante und vor allem naturalistische Erklärung für den normativen Aspekt mentalen Gehalts liefern.
Der zentrale Teil meiner Dissertation setzt sich folglich mit der Frage auseinander, welcher Begriff biologischer Funktionen am besten dazu geeignet ist, diese Rolle zu spielen. Grundsätzlich sind in der Philosophie der Biologie auf diese Frage zwei Antworten gegeben worden: Während ätiologische Theorien, wie sie von den meisten Vertreterinnen und Vertretern der Teleosemantik präferiert werden, biologische Funktionen in der Selektionsgeschichte der relevanten Systeme verorten, beruhen biologische Funktionen den so genannten dispositionalen Theorien zufolge auf den Vermögen eines Systems und der Rolle, den diese Vermögen für die Fähigkeiten höherstufiger Systeme spielen.
Teleosemantischen Theorien auf Grundlage ätiologischer Funktionstheorien zufolge, sind Gehaltseigenschaften letztlich historische Eigenschaften. Wie ich in Kapitel vier zeige, gibt es eine Vielzahl von Phänomenen, deren Erklärung für diese Theorien eine beträchtliche Herausforderung darstellt: Neuartige mentale Repräsentationen, die Rolle mentaler Gehalte in Verhaltenserklärungen und auch unser Wissen von den Überzeugungen und Wünschen anderer scheinen prima facie mit der Historizität von Gehaltseigenschaften inkompatibel.
Teleosemantische Theorien auf Grundlage dispositionaler Funktionstheorien vermeiden hingegen Probleme dieser Art, indem sie Gehalte nicht auf historische Eigenschaften, sondern auf Dispositionen zurückführen, die den Zielen eines höherstufigen Systems dienlich sind. Wie ich in Kapitel fünf zeige, sind Theorien dieser Art, entgegen der vorherrschenden Meinung, in der Lage, Halluzinationen, falsche Überzeugungen oder unerfüllte Wünsche zu erklären. Dennoch scheitern sie daran, dass sie Gehalte zu eng an die Möglichkeiten koppeln, die das repräsentationale System zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Existenz hat. Zum einen hätte dies die fatale Konsequenz, dass Repräsentationen ihre Gehalte in Abhängigkeit von instabilen Umweltumständen ändern. Zum anderen könnte die Existenz von vorübergehend unnützen mentalen Repräsentationen nicht erklärt werden.
Angesichts der Probleme beider Theorierichtungen schlage ich im sechsten und letzten Kapitel eine Synthese vor, welche zwar auf der einen Seite das historische Element ätiologischer Theorien beibehält, auf der anderen Seite aber Bezug auf Dispositionen nimmt, um auf diese Weise eine zentrale Klasse neuartiger mentaler Repräsentationen zu erklären zu können. Zwar sieht sich eine solche Theorie noch immer mit gewissen Erklärungslücken konfrontiert. Wie ich jedoch zeige, sind diese deutlich weniger eklatant, als es zunächst den Anschein hat.
Meine Dissertation ist Teil des Projektes Advancing Teleosemantics (Teleosemantik weitergedacht) und wird finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).